Kazbegi (Stepantsminda)

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Kazbegi ყაზბეგი

Tag 10: Kazbegi (Stepantsminda). Hier geht die Reise weiter: Tag 11: Akhaltsikhe
Lichtspiele im Kaukasus
Lichtspiele im Kaukasus

Heute soll es nach Kazbegi im Kaukasus gehen – einem kleinen Ort mitten im tiefsten Kaukasus, nördlich von Tbilisi. Selbiger ist lediglich fünf Kilometer von der russischen Grenze entfernt (und nebenbei gesagt nur 20 Kilometer von Tschetschenien). Der Ort hiess früher Stepantsminda, und seit 2006 heisst er wieder so. Da er zum Zeitpunkt meiner Reise dorthin jedoch Kazbegi hiess, belasse ich es bei dem Namen. Da ich persönlich die Berge sehr mag, zählt die Fahrt nach Kazbegi zu meinem persönlichen Highlight auf dieser Tour. Klar kennt jeder den Kaukasus vom Hörensagen, und sicherlich ist dies nur ein weiteres Hochgebirge wie etwa die Alpen, aber trotzdem interessiert es mich brennend, in diese Region zu fahren. Kaukasus – offizielle Grenze zwischen Europa und Asien, Sammelbecken verschiedenster Völker und Sprachen, leider aber auch immer wieder Schauplatz bitterer Schlachten – siehe Tschetschenien oder Abchasien. Einer georgischen Mär nach verteilte Gott bei der Erschaffung der Erde die Schönheit hier und da. Am Kaukasus angekommen, war noch ziemlich viel übrig, also verschüttete er den Rest über dieser kleinen Region.

Was mich interessiert, ist die Frage, wie ursprünglich der Kaukasus ist. Die Alpen sind überall verbaut, kultiviert oder sonst wie erschlossen – klar sind die Berge so, wie sie seit Entstehung sind, aber die Täler sind keineswegs mehr reine Natur. Und Tourismus pur – wohin man schaut. Doch wie sieht es im Kaukasus aus?

Von Nasi erhalten wir eine Adresse und Wegbeschreibung, wo wir in Kazbegi übernachten können. Als ich frage, wieviel es kostet, sagt sie nur „wenig“. Nun gut. Sie gibt mir zudem noch einen Brief für die dortige Familie mit. Wir verabschieden uns von Nasi, der wir wirklich einen schönen Aufenthalt verdanken, und fahren mit der Metro vier Stationen nach Didube – zum Busbahnhof. Selbst in der Metro – junge Kinder, die Tand verkaufen, um ein paar Lari zu verdienen. Die U-Bahn verlässt den Untergrund vor Didube und offenbart dort das Chaos – Markt und Busbahnhof in einem – ein grosses Gemenge von Kleinbussen, Bussen und Ständen und unzähligen Menschen.
Nach längerem Suchen – die Schilder mit den Fahrzielen sind alle nur auf Georgisch, ausser bei den nach Russland fahrenden Bussen – finden wir eine Marshrutka. Es ist schon 10 Uhr, aber die Marshrutka ist noch lange nicht voll, und so dauert es eine geschlagene Stunde, bis jeder Platz besetzt ist und sie endlich losfährt.

Blick auf Kazbegi (Stepantsminda)
Blick auf Kazbegi (Stepantsminda)

Irgendwann fahren wir endlich los und verlassen die Stadt Richtung Norden. Erst entlang eines Flusses und dann vorbei an einem türkisfarbenen, grossen Stausee. Dort schraubt sich die Strasse bedächtig in die Höhe. Hohe Berge sind nicht in Sicht, aber die Berge entlang des Tals bekommen langsam einen alpinen Charakter. Die Strasse ist zum Teil in Bau, und so wird auch diese Fahrt wieder sehr rau. Wir fahren immer entlang eines Gebirgsflusses, und es wird immer höher. Irgendwann löst sich die Strasse vom Fluss und führt in immer luftigere Höhen. In einer Kurve halten wir – hier schiesst ein Gebirgsbach aus der Felswand, an dem alle ihre Trinkflaschen füllen, und neben allerlei Getränken und Esswaren werden hier auch die typischen hohen Fellmützen und andere traditionelle Kleidung verkauft. Was bei der Fahrt durch die Berge auffällt – die Landschaft ist wirklich einmalig und oft unberührt –
mit saftig grünen Wiesen bedeckte Steilhänge, vom Wasser geschaffene Furchen, die das Grün durchbrechen, und frische Schuttfächer. Auch einige Dörfer sind auf den ersten Blick akut lawinengefährdet – selbst dort keine Sicherungsmassnahmen.

Es geht weiter die Georgische Heeresstrasse entlang, wie diese den Kaukasus durchquerende Strasse genannt wird, weiter nach oben. Wir fahren vorbei an Gudauri – hier entsteht ein grosses Heliski-Zentrum bzw. ist ein Teil davon schon lange fertig. Vom Helikopter abspringen und Ski fahren ist in den Alpen wohl mittlerweilen verboten und deshalb weicht man halt in den Kaukasus aus. Toll! Die Alpen hat man zugebaut und die Natur nachhaltigst geschädigt, und nun geht es eben in das nächste Gebirge! Wirklich schade drum. Aber das dürfte dem österreichischen Betreiber egal sein.

Vorbei an der Baustelle und einem grossen, einfach so in die Landschaft gestellten Panorama erreichen wir den Jvari-Pass – mit 2395 Metern der höchste Punkt auf dieser Strecke. Die Wolken hängen tief und es ist ganz schön kalt. Die Landschaft ist wahrhaftig grandios! Ab da geht es wieder etwas abwärts durch vor Steinschlägen schützende, an die Hänge gebaute Halbtunnel. Die sind allerdings ziemlich alt und bröcklig – die Frage, was gefährlicher ist – die Steinschläge oder diese Tunnel – ist berechtigt.

Karte von Kazbegi
Karte von Kazbegi

Ab jetzt geht es nur noch durch ein etwa 2 bis 3 km breites Trogtal, umgeben von sehr hohen Bergen. Hier und da gibt es ein paar Wolken, aber den Gipfel des Kazbek suche ich vergeblich. Gegen zwei Uhr nachmittags erreichten wir schliesslich Kazbegi. Es ist ziemlich kühl, und die Luft ist sehr klar. Kazbegi liegt in einem langen Tal und ist ansonsten von ziemlich hohen Bergen umgeben.

Wir verlassen den Bus und laufen über eine Brücke zum Dorf Gergeti, um die von Nasi beschriebene Unterkunft zu suchen. Die finden wir auch relativ schnell. In einem zweigeschossigen Haus wohnt Vano nebst Familie – er begrüsst uns sehr freundlich auf Englisch. Erst dachte ich, er spricht nur schlecht Englisch, da ich ihn kaum verstand, aber das liegt an einem Sprachfehler – ansonsten spricht er sehr gut Englisch. Er, seine Mutter und seine Schwester nahmen uns sofort auf, als ob wir zur Familie gehörten und von einer langen Reise zurückkamen. Zwei weitere Reisende – aus Japan und Neuseeland – sind auch da, und in dem Raum, der uns gezeigt wird, liegt zahlreiches Gepäck von anderen.

Alle haben Schlafsäcke dabei – nur wir nicht. Oops. Aber wir sind ja auch nur auf Kurzbesichtigung hier. Man führt uns erstmal ins Erdgeschoss, wo es einen gemütlichen grossen Raum (inklusive Stalinbild) gibt. Und daran angeschlossen eine Küche – hat ein bisschen was von Jugendherberge. Und die Mutter serviert uns eine deftige Suppe und Brot. Sie gibt mir zuerst einen Teller Suppe, und ich reiche den meiner Freundin weiter – da wurde plötzlich die Mutter energisch, nahm ihr den Teller aus den Händen und gab ihn wieder mir. Und erklärte, dass in Georgien auf jeden Fall zuerst der Mann das Essen bekommt.

Danach – es ist ja schon spät – machen wir uns auf den Weg zur 400 m höher gelegenen Sameba-Kirche. Will man in die Kirche auch herein, muss man erst den Schlüssel holen – von Genri Tchiklauri, der etwas höher im Ort wohnt. Nach einer Weile finden wir auch sein Haus, erfahren aber, dass er gerade weiter unten im Ort ist. Die Zeit wäre zu knapp, und deshalb machen wir uns ohne Schlüssel auf den Weg nach oben.

Quer durch kleine Felder und im Zickzack durch einen Wald immer nach oben – zu guter letzt kürzen wir etwas ab und laufen einen kleinen Pfad durch das Dickicht hoch – bis wir auf einer schönen Wiese stehen. Und einen umwerfenden Blick auf Kazbegi und die umliegende Bergwelt haben. Unter uns schweben hier und da auch ein paar Wolken. In der Richtung, in der der Kasbek sein müsste, steht allerdings eine dunkle, regenschwangere Wollkenmauer.

Sameba-Kirche: Auch Puschkin liess sich hier inspirieren
Sameba-Kirche: Auch Puschkin liess sich hier inspirieren

Die Kirche selbst ist in Blickweite. Sie besteht aus der Kirche an sich und einem Glockenturm – umgeben von einer Mauer. Die Steine sind verschiedenfarbig, und man findet seltsame Symbole auf ihnen (siehe Photo…wer weiss, was sie bedeuten, bitte E-Mail schicken!!!). Die Kirche ist faszinierend, aber beinahe noch faszinierender ist die Landschaft. Im Norden kann man bereits erkennen, dass es von dort an wieder bergab geht – ins nordkaukasische Vorland. Der Kaukasus ist wirklich nicht sehr breit…Da es nach Regen aussieht, steigen wir auf einem steilen Pfad in eine andere Richtung wieder ab. Dabei durchqueren wir auch den Friedhof, und begegnen auch noch Dorfbewohnern dort, was mir etwas peinlich ist.

Das Dorf ist verwinkelt, die Häuser sind schief und schmutzig und sehen so aus, als ob das 20. Jahrhundert hier spurlos vorbeigezogen wäre. Kleinvieh überall; hier und da ein paar spielende Kinder…alles in allem ein schönes Dorf – wobei mir etwas unwohl dabei ist, als Tourist hier einfach so hereinzuplatzen, zumal wir nicht die einzigen Touristen sind. Aber: Die Dorfbewohner schauten uns meistens grimmig an, doch ich nicke ihnen immer lächelnd zu und murmele einen Gruss – und siehe da – jeder von ihnen lächelt plötzlich zurück. Ein gutes Gefühl…

Zurück bei Vano will ich mir einen Kaffee kochen, aber es ist erst 18 Uhr, und da gibt es noch keinen Strom. Die Zeiten, zu denen es hier Strom gibt, sind fest definiert. Wir fragen, wo im Dorf man etwas essen kann. Es gibt da auch keine grosse Auswahl – zwei „Restaurants“. Eines sieht aus wie ein Kindergartenspeisesaal. Und das Ehepaar, das dort arbeitet, ist sehr lustig. Wir bestellen Brot und Salat, etwas gebratenes Fleisch und Käse. Bei Vano gibt es auch Abendbrot, aber das wussten wir nicht und ist bei den billigen Preisen auch nicht weiter ärgerlich. Abends sitzen bei Vano alle Gäste zusammen – und Vano ist dabei. Seine Schwester ist mir ebenfalls sehr, sehr sympathisch – eine Seele von Mensch. Wir treffen an dem Abend etwa acht andere – aus Tschechien, England, Japan…und unterhalten uns sehr gut – bei georgischem Wein. Ich unterhalte mich mit Vano über Sprachen – der Mann ist ein Sprachgenie! Er spricht und schreibt mindestens Georgisch, Altgeorgisch, Russisch, Armenisch, Arabisch, Farsi, Englisch und scheinbar auch Hindi, und lernt gerade Japanisch. Und er ist schwer in Ordnung – ich unterhalte mich lange angeregt mit ihm. Irgendwann ziemlich spät abends gehen wir ins Zimmer – die Tschechen spielen noch Karten, und wir machen uns in den einzigen beiden Betten, die dort stehen, breit…mangels Schlafsack. Schade eigentlich.

Hier geht die Reise weiter: Tag 11: Akhaltsikhe

An- & Abreise

  • Marshrutkas von Tbilissi starten vom Busbahnhof Didube, zu dem man direkt mit der Metro fahren kann. Pro Person kostet die Fahrt 8 Lari (4 €) und dauert etwa drei Stunden. In Kazbegi gibt es freilich keine Verkehrsmittel – alles ist in Laufweite.
  • Von Kazbegi bis zur russischen Grenze sind es nur 5 Kilometer, und es fahren einige Busse und Marshrutkas bis nach Vladikavkaz (ehemals Ordchonikidze) in Nordossetien. Visapflicht beachten!

 

 

Unterkunft

  • Unterkommen kann man bei Davithet Vano Sujashvili, Telefonnummer 00995-345-524 18. Lage siehe Karte oben – knappe zehn Minuten von der Bushaltestelle entfernt. Die Nacht in einem Bett
    (mit Schlafsack wirds wohl billiger) kostet 10 Lari – inklusive Mahlzeiten wohlbemerkt! Warmes Wasser gibts freilich nicht und Strom nur sporadisch, aber wenn kümmert es dort! Eine geniale Unterkunft, und Vano und seine Familie sind sehr, sehr liebenswürdig. Von Vano bekommt man auch alle nötigen Informationen, wenn man wandern möchte oder bergsteigen.

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