Name
Der polnische Name lautet Wrocław, das [ł] wird wie ein [w] gesprochen. Dieser Name leitete sich aus dem alten Namen Wortizlawa ab. Mindestens genauso alt ist der deutsche Name Breslau, wobei auch die Varianten Preßlau und Prassel durchaus unter Schlesiern bekannt war. Um die Sache komplett zu machen noch den tschechischen Namen: Vratislav. All diese Namen leiten sich vom böhmischen Herzog Vratislav I. ab.
Lage
Breslau liegt im reizvollen Südwesten Polens und ist ca. 400 km von der Hauptstadt Warschau entfernt. Bis zur Grenze nach Deutschland sind es nur rund 180 km, bis zur Grenze nach Tschechien sind es keine 100 km. Die Stadt ist Zentrum der Województwo Dolnośląskie (Woiwodschaft Niederschlesien), die den ganzen Südwesten Polens einnimmt und lange Zeit deutsch war. Breslau liegt an der Odra (Oder) und einem Geflecht von Nebenarmen. Das Karkonosze (Riesengebirge) im Südwesten ist nur ca. 80 km entfernt und an klaren Tagen von den Kirchen der Stadt aus sichtbar.
Einwohner
Wroclaw hat knapp 640’000 Einwohner und ist damit die grösste Stadt Niederschlesiens und des ganzen Südwestens des Landes. Insgesamt ist Wroclaw die viertgrösste Stadt Polens – was man, wenn man im Zentrum steht, nur schwer glauben kann.
Stadtbild
Breslau hat ein wunderbar klar gegliedertes Stadtbild. Diese erstreckt sich hauptsächlich zwischen der Oder im Norden und der Bahnlinie im Süden. Der Großteil der Stadt liegt am linken (südlichen) Ufer der hier inselreichen Oder. Der Wrołlaw Główny (Breslau Hauptbahnhof) liegt rund 1,5 km südlich der Oder. Die Stare Miasto (Altstadt) selbst ist von Resten der alten Oder und Parkanlagen umgeben und von daher schnell zu erkennen. Es ist nur rund 400 mal 400 Meter gross und oval. Mitten im Zentrum liegt der grosse Stary Rynek (Alter Markt). Zahlreiche Brücken führen zum Nordufer der Oder sowie zu zwei wichtigen Inseln – der Sandinsel und der Dominsel. Mehr dazu siehe Sehenswürdigkeiten. Nahezu alle Sehenswürdigkeiten findet man in der Altstadt und auf den Oderinseln – alles ist also in Laufreichweite. Die Innenstadt zwischen Altstadt und Bahnhof hat allerdings auch seinen eigenen Reiz.
Geschichte
Schon um das Jahr 900 wurde der Ort erwähnt. Gegründet wurde der Ort wahrscheinlich vom böhmischen Herzog Vratislav I. Keimzelle der Entwicklung war die Dominsel nördlich des heutigen Zentrums. Um das Jahr 1000 herum wurde eine herzogliche Burg gebaut. Und die Stadt wurde zu einer von drei polnischen Bischofsresidenzen. Seitdem war Breslau Zentrum des schon immer eher landwirtschaftlich geprägten Niederschlesiens, welches sich jedoch später von Polen löste.
Im Jahre 1327 fiel die Stadt aufgrund der Erbfolge an Böhmen (siehe Geschichte Tschechiens), wurde später Hansestadt und trotz zahlreicher Katastrophen ein blühender Handelsort. Ab 1526 wurde Breslau Teil der Habsburgischen Monarchie – was sich bis 1742 nicht äderte. Dann fiel der Ort und ganz Schlesien an Preußen. Und gehörte später zu Deutschland wie Hannover, Stuttgart oder Königsberg. Die Rolle als geistiges, kulturelles, industrielles und verwaltungstechnisches Zentrum Niederschlesiens sollte Breslau nie einbüssen.
1944 wurde Breslau erstmals Opfer von Luftangriffen. 1945 rückte die Rote Armee schnell nach Westen vor und hatte ab Februar die Stadt vollständig umschlossen. Da der Vormarsch wichtiger war als eine aufreibende Einnahme der Stadt, verzichtete die Rote Armee Breslau erstmal relativ unbehelligt. Die Deutschen hatten die Stadt bereits 1944 zur „Festung“ erklärt – will heissen, sie sollte auf jeden Fall gehalten werden. Und so leisteten Wehrmacht und Volkssturm erbitterten Widerstand. Erst am 7. Mai 1945, also eine Woche nach dem Fall Berlins und einen Tag vor der Kapitulation Deutschlands, kapitulierte die Stadt. Der Preis des zähen Widerstands war hoch – weit mehr als die Hälfte der Stadt lag in Trümmern, viele zehntausend Einwohner verloren ihr Leben.
Die Stadt wurde wieder aufgebaut – zum grossen Teil auf gelungene Art und Weise. Seit 1990 wird auch das deutsche Erbe mehr und mehr gepflegt. Und so ist Breslau heute eine offene, kosmopolitische Stadt. 1997 wurde jedoch die Stadt schwer durch das Oder-Hochwasser geschädigt. Da die Altvorderen die Gefahr kannten, wurde historische Bausubstanz kaum beschädigt – die neueren, tiefer liegenden Viertel traf es jedoch um so heftiger.
Anreise
Wer viel Geld und wenig Zeit hat, kann mit dem Flugzeug von Warschau und anderswo nach Wroclaw fliegen. Ansonsten bleiben Bus und Bahn und natürlich das Auto. Zahlreiche Züge pro Tag fahren von Warschau – das dauert um die 5 Stunden und kostet knapp 10 Euro. Ein Zug pro Tag fährt nach Prag in 5½ Stunden. Ebenfalls einer am Tag fährt direkt über Berlin (6 h) bis nach Hamburg (9 h). Eine andere Variante ist die Fahrt zur Grenzstadt Zgorzelec/Görlitz in 3½ Stunden. Es fahren auch Züge nach Norden über Poznan bis an die Ostsee.
In der Stadt selbst verkehren Strassenbahnen und Busse. Als Besucher ist man aber aufgrund der kurzen Distanzen kaum darauf angewiesen.
Sehenswertes
Die meisten Reisenden werden am Hauptbahnhof der Stadt ankommen. Welcher nicht gerade modern ausgestattet ist, sich aber von außen als schöner, an Schinkelsche Architektur erinnernder Bau entpuppt. Gebaut wurde der Bahnhof bereits um 1850. Läuft man nun vom Bahnhof aus gute 100 Meter geradeaus, gelang man zur Piłsudski-Strasse. In die muss man links einbiegen und ein Stück weit bis zur Kreuzung mit dem Holiday Inn laufen – dort kann man nach rechts in die Świdnicka-Str. Der führt direkt zum etwas tristen, viereckigen Kościuszki-Platz. Läuft man weiter geradeaus, gelang man direkt zum Alten Markt.
Man überquert dann den Podwale (Wallgraben) genannten Ring rund um die Altstadt, in dem sich Grünanlagen und Reste eines alten Kanals befinden. Dort steht linkerhand auch die Oper der Stadt. Quasi gegenüber der Oper fällt sofort das schmucke, etwas morbid ausschauende Hotel Monopol ins Auge – ein schöner Art-Nouveau-Bau vom Ende des 19. Jhd. Direkt dahinter sieht man das Dach der Kościoł św. Doroty (Kirche der Hl. Dorothea) einem gotischen Gotteshaus aus dem 15. Jahrhundert. Von dort braucht man nur noch ein paar hundert Meter an zahlreichen Geschäften und Cafés vorbeigehen, und schon steht man auf dem Stary Rynek (Alter Markt).
Dieser zentrale Platz gilt als zweitgrösster Altstadtplatz Polens (die #1 ist natürlich Krakau). In der Mitte steht ein Block kleiner und ganz kleiner Häuser, durchzogen von drei schmalen Gassen. Dort verstecken sich unter anderem kleinere Restaurants und Bars. Vor diesem schönen Ensemble steht das prächtige Ratusz (Rathaus). Für den spätgotischen Bau liess man sich Zeit – man begann 1290 und war 1504 fertig. Diese Zeitspanne schliesst allerdings auch ein paar Umbauten ein. Zum Glück blieb das Bauwerk während des Zweiten Weltkrieges halbwegs unbeschädigt. Heute beherbergt es unter anderem das Historische Museum der Stadt.
Direkt an den Alten Markt schliesst sich der kleinere pl. Solny (Salzplatz) an. An der Ecke zwischen den beiden Plätzen liegt die Touristeninformation von Breslau.
Die ganzen Häuserreihen am Alten Markt und in der Innenstadt rundherum sind schön restauriert worden und regelrecht bunt. Das bezieht sich nicht nur auf die Fassadenfarben, sondern auch auf den Baustil – nicht alles ist mittelalt, hier und da findet man auch ein paar Lückenfüller aus der Jugendstilepoche oder noch jüngere, weniger interessante Gebäude. Sobald es warm wird, stellen die vielen Cafés und Restaurants ihre Tische und Stühle heraus und laden zum Verweilen ein. Dass Breslau weit über eine halbe Million Einwohner hat, mag man in dem Moment nicht glauben.
An der Nordwestecke des Alten Marktes steht die durch ihr buntes Dach auffällige k. św. Elżbiety (Kirche der Hl. Elisabeth). Dieser gotische Bau wurde um das Jahr 1330 begonnen und ist mit ihrem 83 m hohen Turm von weitem zu sehen. Interessant sind die zwei schmalen Häuschen vor der Kirche – genannt Jaś i Małgosia (oder: Hänsel und Gretel). Wie man auf dem Foto oben sieht, werden die beiden Häuser durch einen barocken Bogen verbunden.
Es gibt noch viele andere Kirchen in Breslau – katholische und altkatholische, evangelische und ukrainisch-unierte, große und kleine, alte und neue. Schön verteilt über die ganze Innenstadt. Eine Synagoga gibt es auch – die liegt im Südwesten der Altstadt unweit des pl. Wolności (Platz der Freiheit). Dieser wird häufig noch als Freiluftmarkt benutzt.
Wenn man vom Alten Markt die Kuźnicza-Str. entlang Richtung Norden, kommt man nach ein paar hundert Metern zur Oder. An der Oder, rechterhand, reihen sich diverse Kirchen und die städtische Uni aneinander. Die grösste der Kirchen ist die gotische k. św. Wincentego (Kirche des Hl. Vincent). Der gotische Bau stammt aus dem 13. Jahrhundert und wird von der Ukrainischen Vereinigten Kirche genutzt. Hinter der Kirche führt eine Brücke zur ostrów piasek (Sandinsel), auf der – Überraschung! – zwei Kirchen stehen. Die Insel ist wirklich sehr klein. Von ihr geht eine weitere Brücke nach rechts zur o. Tumski (Dominsel) ab. Auf der begann, wie eingangs erwähnt, die Geschichte der Stadt.
Auf der Dominsel steht natürlich ein Dom, genannt Ostrów Tumski katedra (Dominselkathedrale) – welch blickiger Name. Die Insel ist eigentlich schon lange keine mehr, da der nördliche Arm der Oder zugeschüttet wurde. Der Bau des Doms begann im 13. Jahrhundert – fertig wurde man erst 1590. Auffallend sind die Doppeltürme, die in der jetzigen Form erst 1991 wiedererbaut wurden. Ein Fahrstuhl bringt die Besucher für 2 Zł. zu einer Aussichtsplattform, von der man einen famosen Blick auf die Stadt hat. In dem kleinen, ruhigen Areal der ehemaligen Insel gibt es noch vier weitere Kirchen.
Der nördliche und östliche Teil der Altstadt innerhalb des Rings ist weniger interessant, aufgrund der zahlreichen Grünflächen, vor allem entlang der Oder, und weiterer Kirchen jedoch durchaus auch einen Spaziergang wert. Dort findet man auch eine altmodische Markthalle. Eins ist klar – Wroclaw ist ein Juwel und stark im Kommen. Zu erkennen an den Horden unzähliger Rentnergruppen, die mittlerweilen die Innenstadt unsicher machen.
Umgebung
Wie oben bereits erwähnt, ist das Riesengebirge im Südwesten nicht weit. So lohnt unter anderem ein Abstecher nach Karpacz (Krummhübel) am Fusse der berühmten, 1’602 m hohen Śnieżka (Schneekoppe). Karpacz ist ein Wintersportort, hat aber zudem noch eine Besonderheit zu bieten: Die Kirche Wang. Eine norwegische Holzkirche aus dem 13. Jahrhundert, die aus irgendwelchen Gründen im 19. Jhd. nach Karpacz überführt wurde. Norwegisches Legoland quasi. Nach Karpacz kommt man mit dem Bus.
Übernachtung
Keine schlechte Wahl ist das alte Hotel Savoy am Kościuszki-Platz, quasi zwischen Bahnhof und Altstadt. Die Zimmer sind in Ordnung, die Lage richtig gut und Bad gibt es auch im Zimmer. Ein Doppelzimmer kostet ca. 25 Euro und ist das Geld wert. Adresse: Plac Kościuszki 19, Tel.: 071-344 3071.
WWW
- www.wroclaw.pl: Offizielle Seite der Stadt – auch auf Deutsch und gut gemacht.
- www.breslau-wroclaw.de: Die Adresse sagt es bereits – Brückenschlag zwischen Wroclaw heute und Breslau früher. Vor allem die fotografischen Vergleiche einiger Orte sind hochinteressant.
Als Stadtführer in Breslau nun eine kleine Korrektur: Breslau hat am 6. Mai 1945 kapituliert.
alles Gute
Michal Moczulski