Allgemeines & Landkarte
Landesname
РЭСПУБЛІКА БЕЛАРУСЬ (Respublika Belarus‘) = Republik Belarus. In Deutschland herrscht noch der Name Weißrussland vor – obwohl diese Bezeichnung etwas irreführend ist. ‚-rus‘ kommt von der (Kiewer) Rus, genau wie der Name ‚Russland‘ – nicht vom neuen Wort ‚Russland‘. ‚Bela-‚ (bzw. belo-) ist das russische Wort für ‚Weiss‘. Früher hatte es jedoch noch mehr Bedeutungen – zum Beispiel ‚rein‘, ‚frei‘, ‚westlich‘ und auch ‚Norden‘. Man suche sich das passende aus – auf jeden Fall hat es nichts mit der Farbe ‚weiss‘ zu tun. Deshalb ist der deutsche Name irreführend. Früher war das Land auch unter dem Namen Weißruthenien bekannt. Der gängige internationale (weil auch englische) Name ist Belarus.
Fläche & Bevölkerung
Die Belarus ist ca. 207’600 km² gross. Mit anderen Worten – rd. 60 % der Gesamtfläche Deutschlands. „Dank“ des Zweiten Weltkrieges ist Belarus heute wesentlich grösser als noch vor hundert Jahren.
Das Land hat rund 9,5 Millionen Einwohner (2018) – 2004 waren es noch 10,3 Millionen. Das sind gut ein Achtel der Bevölkerung Deutschlands. Tendenz stark fallend.
Ca. 81% sind Belarus (Weissrussen), gute 11% Russen, der Rest mehr oder weniger starke Minderheiten von (geordnet nach abnehmender Grösse) Ukrainern, Deutschen, Polen, Juden, Letten u.a. Vor dem Zweiten Weltkrieg stellten Juden eine enorm grosse Bevölkerungsgruppe dar.
Religion
Rund 80% sind Orthodox, aber es gibt auch eine starke Römisch-Katholische Minderheit sowie Protestanten und Juden.*
Zeitzone
MEZ +1. Also eine Stunde vor deutscher Zeit und eine Stunde hinter Moskau-Zeit. Sommerzeit gibt es auch.
Sprache
Weißrussisch ist offizielle Amtssprache, aber 1995 wurde Russisch wieder zur zweiten Amtssprache und verdrängt mittlerweile das Weißrussische wieder. Das Weißrussische ist dem Russischen sehr ähnlich, weisst aber eine hohe Anzahl polnischer Lehnwörter auf. In gewissen Bereichen ähnelt es auch dem Ukrainischen. Man benutzt die kyrillische Schrift, aber es gibt durchaus ein paar Unterschiede zur russischen Schrift, die da wären:
- A (a): Was ‚A‘ gesprochen wird, wird hier auch als solches geschrieben – siehe ‚O‘.
- Г (г) – eigentlich ein ‚G‘, wird es im Weissrussischen auch oft ‚H‘ (etwas kehlig, nahe dem ‚CH‘ in ‚BACH‘) gelesen. So wird die Stadt Гродна nicht ‚Grodna‘, sondern Hrodna gelesen.
- Ґ (ґ) Es wird überlegt, diesen Buchstaben wieder einzuführen – er wird ‚H‘ gelesen (siehe ‚G‘).
- Ë (ë), gelesen ‚YO‘ (JO). Wird im Russischen oft einfach als ‚E‘ geschrieben – im Weißrussischen darf er nicht ersetzt werden.
- I (i) ersetzt das russische И (и) und wird schlicht und einfach ‚i‘ gelesen.
- O (o) wird im Russischen sehr oft ‚A‘ gelesen – im Weissrussischen nie! Jedes ‚O‘, das im Russischen ‚A‘ gelesen wird, wird auch als ‚A‘ geschrieben.
- Ў (ў) – transkribiert als Ů (ŭ), wird es ‚U‘ gelesen. Gibt es sonst in anderen kyrillischen Alphabeten nicht.
- Щ (щ) (schtsch) – gibt es nicht im Weissrussischen.
- Ъ (ъ) (Hartheitszeichen) – gibt es auch nicht.
- Э (э) wird E gelesen und viel häufiger benutzt als im Russischen.
Man kommt, trotz zahlreicher Dialekte, mit Russisch relativ gut zurecht. Zumal Russisch auch in den Medien überwiegt. Keiner sollte jedoch erwarten, mit Englisch, geschweige denn mit Deutsch, gut zurechtzukommen – kaum jemand beherrscht eine der beiden Sprachen! Zudem wird überall schlichtweg erwartet, dass man Russisch kann. Wer des Russischen oder Ukrainischen nicht mächtig ist, hat einen ziemlich schweren Stand in Belarus.
Ich habe versucht, soweit möglich auf den folgenden Seiten den weißrussischen Namen anzugeben. In einigen Fällen konnte ich ihn nicht finden – in dem Fall habe ich den russischen Namen angegeben. So gut wie alle Karten und Stadtpläne in Belarus sind auf Russisch.
Vorwort & Allgemeines
Prolog
Kann man sagen, dass man schon mal da war, wenn man nur mit dem Berlin-Moskau-Express durchfuhr und zwei Stunden durch das nächtliche Brest rannte? Eigentlich nicht, dachte ich mir, und so nutzten wir die Tour durch die baltischen Staaten dazu, auf dem Rückweg durch die Belarus zu fahren. Allerdings war das Anfang Dezember. Nicht gerade die günstigste Zeit für diese Region.
Visa
Von ein paar GUS-Staaten- Angehörigen einmal abgesehen braucht JEDER ein Visum. Die Gebühren sind dabei für jede Nation gleich. Es gibt eine gute Nachricht: Seit 2004 braucht man nur noch entweder ein offiziell beglaubigtes Einladungsschreiben oder Vouchers von einem Hotel. Vorher brauchte man beides. Die schlechte Nachricht: Mittlerweile braucht jeder, der das Land betritt, ein Visum: Will heissen, auch die, die auf altmodische Art mit dem Zug nach Moskau fahren wollen, müssen sich ein Transitvisum besorgen! Das Visum kann nicht bei der Einreise erworben werden!.
Es gibt Touristen-, Geschäfts-, Transit- und normale Visa. Ein Transitvisum ist drei Tage gültig und kann NUR erworben werden, wenn man ein Visum für die Ukraine oder Russland besitzt ODER (so man nach Polen oder in die baltischen Staaten fährt) ein Ticket von Belarus ins nächste Land besitzt. Letzteres ist zumindest bahntechnisch unmöglich!
Wer keine Kontakte nach Weissrussland besitzt, sollte sich ernsthaft überlegen, einen Visaservice (zum Beispiel Visa-Express) oder ein Reisebüro in einem der Nachbarländer zu bemühen! Kostet ein paar Euro mehr, aber man bekommt den Pass am gleichen Tag zurück, braucht keine Vouchers oder Einladungsschreiben sondern nur ein Passphoto. Konkretes Beispiel: Bei den Reisebüros in Vilnius bezahlt man 65 Euro für ein normales Visum, welches einen Monat lang gültig ist (eigentliche Gebühr bei der Botschaft: 50 Euro). Dafür braucht man aber wirklich nur den Pass und Photos – die Vouchers erledigt der Agent. Ein Expressvisum kostet übrigens rund 110 Euro.
Registrierung
Am ersten Tag in Weissrussland muss man sich bei den örtlichen Behörden registrieren lassen. In aller Regel erledigt das Hotel diese langwierige Prozedur, weshalb die erste Nacht in Weissrussland auch teurer als der normale Übernachtungspreis ist. Man muss im Hotel diverse Formulare – insgesamt vier Mal – ausfüllen. Selbige gibt es (zumindest in unserem Fall) nur auf Russisch. Dann erhält man ein Spravkan (Bescheinigung) – die sollte man auf jeden Fall aufheben. Von jedem Hotel erhält man ähnliche Zettelchen. die soll man bei der Ausreise vorzeigen. Von uns wollte man sie bei der Ausreise in Brest nicht sehen, aber darauf würde ich mich nicht verlassen – besser alles aufheben was man bekommt!
Wer privat übernachtet, muss sich beim nächsten OVIR-Büro registrieren lassen!!! Wer das nicht tut, muss mit ernsten Problemen bei der Ausreise rechnen.
Geld & Kosten
Geld
Die Landeswährung heisst БР – der belorussische Rubel, die allgemein gebräuchliche Abkürzung lautet BYR. Der bestand früher aus 100 Kopeken, aber die Inflation hat die Kopeken dahingerafft. Aufgrund der (ehemals!?) hohen Inflation wurden die Scheine häufig ausgetauscht – alte Scheine, also z.B. von 1993, sind nicht mehr gültig! Die Inflation scheint mittlerweile halbwegs gering zu sein. Es gibt keinen Schwarz-Umtausch mehr! Im Jahre 2004 war der Kurs 1 Euro = 2880 BYR. 2016 gab es einen erneuten Schnitt: Die 3. Generation weißrussischer Rubel erschien (Abkürzung: BYN) und wurde 1 BYN = 10’000 BYR umgetauscht; man hat also 4 Nullen gestrichen. Seitdem liegt der Kurs in etwa bei 1 BYN = 0,40 Euro. Seitdem gibt es auch kapiejka (Kopeken) als Münzen.
Das Geld trieb einen in Weissrussland in den Wahnsinn. Der Grund war die schiere Menge der Scheine. Es gibt keine Münzen. Es zirkulieren Scheine zu 10, 20, 50, 100, 500, 1’000, 5’000, 10’000, 20’000 und 50’000 BYR. Nach ein paar Fahrten mit der Metro und kleineren Einkäufen hatte man deshalb schnell gut 20 Scheine in der Hand, die insgesamt nur einen Euro wert waren! Seit 2016 hat sich das stark geändert (siehe oben).
In grösseren Städten wie Minsk und Brest gibt es Geldautomaten, die man jedoch oft suchen muss. Diese akzeptieren gängige Kreditkarten sowie EC- bzw. Cirrus und Maestro-Karten. In kleineren Städten gibt es noch keine Automaten.
Achtung: Bei den Zahlen lässt man gern das Wort für ‚tausend‘ (tyisjatsch) weg! Will heissen ‚dve sto‘ (eigentlich ‚200‘) heisst oftmals ‚2100‘ (eigentlich: dva tyisjatscha sto!) BYR. Selbst wer des Russischen mächtig ist wird hier oft Probleme haben!!!
Selbstredend wird man die weissrussischen Rubel im Ausland nicht los! Also besser übrig gebliebenes Geld im Land zurück tauschen! Die Marge zwischen Tausch von Euro in BYR und dem von BYR in Euro liegt noch im passablen Bereich.
Kosten
Preislich gesehen würde Belarus zu einem der günstigsten Reiseziele in Europa zählen – wäre da nicht das archaische Preissystem von Hotels und Museen, welches da je nach Staatsangehörigkeit verschiedene Preise berechnet.
Weissrussen | GUS-Bürger | Ausländer | |
Suite Einzel Doppel Dreier |
€ 27 € 7,3 € 5,7 € 4,7 |
€ 67 € 16,7 € 13,7 € 10,9 |
€ 80 € 20,7 € 16,7 € 13,7 |
Im Museum kann man das mitunter umgehen, soweit man etwas Russisch spricht. Einfach ‚Ein Ticket bitte‘ nuscheln und schon zahlt man den Preis, den auch die Einheimischen zahlen. Anders im Hotel. Sobald man fragt, wieviel ein Zimmer kostet, kommt sofort die Gegenfrage ‚Welche Nationalität?‘ Lügen ist zwecklos, denn jeder muss sich ausweisen. Dies scheint in ALLEN Hotels, selbst auf dem Land, üblich zu sein.
Damit verschlingt die Übernachtung einen Grossteil des Budgets – reist man zu zweit, zahlt man in der Regel um die € 15 pro Bett im Doppelzimmer. Ein üppiges Mahl mit Vor- und Nachspeise und diversen Getränken kostet im durchschnittlichen Restaurant ca. 3 bis 5 Euro pro Person, Mittag essen kann man bereits für unter einen Euro. Eine Packung Zigaretten kostet ab ca. 0.15 Euro, eine Flasche Bier ab 0.20 Euro. Eine Zugfahrt mit der Elektritschka (siehe unten) von Minsk nach Brest kostet knapp 4 Euro.
So man auf Hotels angewiesen ist, sollte man mit 25 bis 30 Euro pro Tag und Person rechnen. Es gibt keine teuren Museen und nur wenige teure Restaurants. Betrachtet man allerdings das Preis-Leistungs-Verhältnis, so muss man sagen, dass Belarus ganz weit unten liegt – in der Ukraine zum Beispiel zahlt man zwar ähnlich viel, aber die Qualität ist wesentlich besser.
Anreise
Anreise
Mit Flugzeug, Bus oder Bahn. Es gibt direkte Flug-, Bus- und Bahnverbindungen. Verkehrsknotenpunkte sind Minsk und Brest. Von beiden Städten gibt es direkte Züge nach Wien, (von Minsk 22 h), Prag (22 h), Kiew (14 h), Moskau (12 h), Vilnius (4½ h), Warschau (10 h), Berlin, (19 h), Riga (12 h), Chisinau (27 h), Brüssel (27 h) und gar bis Novosibirsk (67 h) und Irkutsk (99 h). Man sollte bei der Wahl der Züge bedenken, dass man bei internationalen Nachtzügen im Zug 11 Euro Zuschlag bezahlen muss! Und – nicht alle Züge fahren täglich.
Der billigste Weg von Deutschland sieht wie folgt aus: Man fährt mit dem Berlin-Warszawa-Express nach Warschau (6 h, rd. 32 Euro), von dort mit lokalen Zügen nachTerespol an der Grenze (4 h, 7 Euro) und von dort mit einem lokalen Zug, der nur die Grenze überquert, nach Brest. Von Berlin kommt man also für unter 40 Euro nach Weissrussland.
Achtung: In Brest werden die Zoll- und Ausreiseformalitäten im Bahnhof erledigt!!!
Man muss mindestens eine Stunde vor Abfahrt dort sein, sonst wird es knapp!!! Der lokale Zug von Brest nach Terespol ist ein Schmugglerzug – da dauert die Abfertigung noch wesentlich länger!
Es gibt natürlich auch viele internationale Busse. So unter anderem nach Vilnius (4 h) und nach Riga über Daugavpils. Letzterer braucht rund 10 Stunden und kostet 9 Lats (13.5 Euro) am Tag bzw. 10 Lats (15 Euro) im Nachtbus. Letzterer ist sehr empfehlenswert!!! Es gibt keinen direkten Bus und keinen Zug nach Estland!
Klar kann man auch fliegen, aber es dürfte schwer sein, einen billigen Flug zu bekommen. Bei vielen Verbindungen muss man sicherlich auch in Moskau oder Kiew umsteigen.
Grenzübergänge
Es gibt zahlreiche Grenzübergänge nach Polen, Litauen, Lettland, Russland und in die Ukraine. Achtung: Die kleineren Grenzübergänge sind nur für Anwohner und dürfen nicht von Ausländern benutzt werden!
Ein- und Ausreise
Angeblich kann es bei der Ein- und Ausreise grosse Probleme mit dem Zoll geben und man braucht wohl auch eine spezielle Krankenversicherung. Wir hatten jedoch rein gar keine Probleme! Bei der Einreise war der Zoll geschlossen (es war 2 Uhr nachts), bei der Ausreise wollte der Zoll nur wissen, wieviel Bargeld wir dabei haben. Alle Zettel, die man vom Hotel bekommt, aufheben!!! Bei der Ausreise – egal wo – muss man angeblich 2.5 Euro Ausreisegebühr bezahlen. Die Bescheinigung dazu wollte allerdings niemand sehen…
Essen & Trinken
Essen und Trinken
Die Küche ist arg an der russischen Küche orientiert – mit den üblichen Mayonnaise-lastigen Salaten, Pelmeni, mehr oder weniger ominösen Fleischgerichten und Buttercremetorten. Ziemlich verbreitet sind hier vor allem die Dranniki – eine Art herzhafter Kartoffelpuffer. Crepes kann man mittlerweilen auch oft sehen. Mit internationaler Küche sieht es reichlich mau aus, obwohl man hier und da ein (pseudo-)chinesisches Restaurant sieht. In Brest steht ein nettes Fischrestaurant.
Allgemein gesagt gibt es sehr wenige Restaurants – selbst in Minsk. Deshalb bleibt häufig nur der Gang zum Hotelrestaurant, welches manchmal das einzige der Stadt ist. Dort gibt’s sowjetisch-deftig-derben Service. Ach ja – in Minsk gibt es sogar ein paar McDonalds-Filialen.
Guten Kaffee darf man freilich nicht erwarten. Beim Wasser muss man aufpassen – manchmal ist das verkaufte Mineralwasser wirklich Mineralwasser – schmeckt dann salzig-bitter. Man trinkt vornehmlich Wodka (Flasche ab 1.2 Euro) und mittlerweile auch Bier. Lokale, halbwegs akzeptable Biersorten gibt es auch – darunter zum Beispiel Kryinitsa, Brestskoe oder Lidskoye.
Geographie
Belarus‘ Topographie, Natur und Klima
Belarus hat keinen Zugang zum Meer und ist damit nicht nur unattraktiv für Bergfreunde sondern auch für die Freunde maritimer Freuden. Das komplette Land ist stark eiszeitlich überprägt, was von nicht Wenigen durchaus als ‚langweilig‘ bezeichnet wird. Seen, sanfte Hügel, Seen, schnurgerade Ebenen, Seen – wiederhole ich mich? Immerhin hat das ganze Land um die 11,000 Seen! Sehr viele davon findet man im Nordosten des Landes, der durchaus seine Reize hat. Im Süden des Landes, also in der Gegend entlang des Pripyat‘, findet man weitläufige Sumpfgebiete. Getrennt werden diese beiden Gebiete durch eine Hügelkette, welche von der polnischen Grenze quer durch das ganze Land bis nach Smolensk in Russland reicht. Der höchste ‚Gipfel‘ des gesamten Landes liegt in dieser Kette unweit der Hauptstadt – es ist der Dschjardschinskaja Hara mit einer atemberaubenden Höhe von 345 m.
Das Klima ist ziemlich kontinental, wobei es nach Osten hin natürlich noch kontinentaler wird. Das heisst die Winter werden knackig kalt und sind reichlich lang, die Sommer sind ziemlich warm und feuchter als der Winter. Es fällt in etwa genauso viel Regen und Schnee wie in Deutschland. Bereits im November liegen fast überall die Temperaturen dauerhaft unter dem Gefrierpunkt.
Das Land hat zwar seine Nationalparks, aber auch weitläufige Gebiete mit massiven Umweltschäden, verursacht durch die rücksichtslose Industrialisierung zahlreicher Städte nach dem Zweiten Weltkrieg. Da viele Industriekombinate dichtmachen mussten, dürfte sich die Lage etwas entspannt haben. Eine Entspannung der Situation im äußersten Süden nahe der ukrainischen Stadt Tschernobyl (Chornobyl‘) ist allerdings nicht zu erwarten – die massive Strahlenkontamination der Umgebung (siehe Karte oben) hat weite Landstriche auf lange Sicht unbewohnbar gemacht.
Geschichte
Geschichte – kurzer Überblick
Die Belarus ist heute ein eigenständiger, völlig unabhängiger Staat, was zwar kein Novum ist, aber historisch gesehen doch eine Ausnahme bildet. Kein Wunder – das Land liegt im Schnittbereich verschiedener, historisch sehr bedeutsamer Kulturen. Als da wären Russland, Litauen, Polen sowie im 20. Jhd. und ausschliesslich im negativen Sinne Deutschland.
Wenn man sich das Archäologische Museum von Brest so ansieht, geschah vor dem Jahr 1000 u.Z. nicht wirklich viel in der Region. Viele kleine Siedlungen mit Holzhäusern dominierten das Bild (nun ja, streckenweise hat sich da bis heute nichts geändert). Um das Jahr 1000 herum entstanden kleinere eigenständige Fürstentümer. Ab dem 13. Jhd. gehörte der Grossteil der heutigen Belarus zum Großfürstentum Litauen, was dem Gebiet eine wahre Blütezeit bescherte. Die weissrussische Sprache war damals gar Amtssprache. Über die nächsten Jahrhunderte sollte sich nicht viel daran ändern. Ab ca. 1800 geriet das Gebiet jedoch zunehmend unter russischen Einfluss, bis es schliesslich gänzlich dem Zarenreich anheim fiel. Weissrussisch als Sprache wurde verboten – bis 1905.
Der Erste Weltkrieg verschonte auch die Belarus nicht. 1918 nutzte man die Wirren der Revolution, um die Weissrussische Volksrepublik zu proklamieren. Die hielt sich nur ein paar Monate, bis die Bolschewiki auch in der Belarus eindrangen. Die Polen erhoben ebenfalls Anspruch auf die Region, und so wurde die Belarus aufgeteilt – der ganze Westen des Landes bis zu einer Linie zwischen Minsk und Nyazvizh (damals: Neswish) gehörte zur Republik Polen, der Osten wurde zur sowjetischen Belarussischen SSR. Der sowjetische Teil genoss durchaus freizügige autonome Rechte mit Weissrussisch, Polnisch und Russisch als Amtssprache. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg jedoch verschonte Stalin auch die Belarus nicht – unzählige Weissrussen wurden ermordert oder deportiert.
Gemäss dem Zusatzprotokoll des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes wurde Polen aufgeteilt, so dass sich die Rote Armee und die Wehrmacht seit 1939 bei Brest und der heutigen weissrussisch-polnischen Grenze gegenüberstanden. 1941 schliesslich wurde Weissrussland von der Wehrmacht und nachfolgenden Einheiten quasi überrollt. Man liess nichts übrig – alle Städte und fast 10.000 Dörfer wurden nahezu dem Erdboden gleichgemacht. Das Prinzip Verbrannte Erde wurde gerade hier am konsequentesten angewandt. Deshalb gibt es heute kaum noch Gebäude aus der Vorkriegszeit. Erst 1944 gelang es der Roten Armee, das Land zurückzuerobern.
Den höchsten Tribut mussten auch hier die Juden bezahlen. Hunderttausende Juden siedelten seit dem späten Mittelalter im Land und stellten in vielen Orten wie Minsk, Hrodna und Brest gut die Hälfte der Einwohner. Freilich gab es auch früher schon Progrome, aber richtig verheerend war die Zeit der Besetzung durch Nazideutschland zwischen 1941 und 1944. Der Grossteil der Juden bezahlte diese Zeit mit dem Leben. Allerdings gab es auch nennenswerte jüdische Partisanengruppen, die den Besatzern das Leben in den Wäldern schwer machte.
Bei den verschiedenen Konferenzen zur Nachkriegsordnung in Europa wurde Polen schlichtweg ein Stück weit gen Westen ‚verlegt‘. Zuungunsten Deutschlands und zugunsten der Sowjetunion respektive der Belarussischen SSR – die Fläche verdoppelte sich fast. Nach dem Krieg erfolgte der Neuaufbau des Landes nach stalinistischem Vorbild sowie eine massive Industrialisierung. Sowie eine weitgehende Russifizierung – die weissrussische Kultur rutschte in die Unbedeutendheit ab.
1991 schloss man sich dem allgemeinen Trend zur Unabhängigkeit an und erklärte die selbige. Man verbot die Kommunistische Partei und begann mit der Privatisierung der Unternehmen. Das hatte vorerst eine atemberaubende Inflation und das allgemeine Abrutschen des Lebensstandards zur Folge. Es war jedoch durchaus ein positiver Trend erkennbar. Die Kommunisten erstarkten jedoch nach und nach, die Partei wurde 1993 wieder erlaubt. In einer direkten Präsidentenwahl gewann 1997 Alexander Lukashenko, der seither das Rad zurückdreht. Seither krallt sich Lukashenko an der Macht fest, erweitert seine Befugnisse und sorgte dafür, dass er entgegen der Verfassung noch länger regieren kann. Man kapselt sich ab vom Westen und sucht stattdessen die Nähe zum östlichen Nachbarn Russland. Doch auch da gibt es Probleme. Nach und nach werden allgemeine Rechte beschnitten – letzter Coup Ende 2004 war der Plan, die Reisefreiheit Minderjähriger abzuschaffen. Presse und Fernsehen werden gleichgeschaltet (bestes Beispiel: die grandiose Wochenzeitung Minsk Times). Man wähnt sich in der Sowjetunion vor 1989, und das bekommt der Reisende auch mit allen negativen Auswirkungen zu spüren.
Man kann nur hoffen, dass sich Belarus nicht zu einem europäischen Nordkorea entwickelt. Als notorischer Osteuropa-Reisender kann ich nur ein Fazit ziehen: Kein Land in Europa ist weiter von einem vereinten Europa entfernt als Belarus. Selbst Transnistrien kann sich bei Lukashenko noch was abschauen. Deshalb ist die Belarus durchaus interessant für den Traveler, der etwas besonderes sucht: Die Chance, die Sowjetunion mit allem drum und dran noch mal zu erleben.
Links
- president.gov.by: Offizielle Seite des Präsidenten. Hier kann man wunderschön mitverfolgen, wie es mit der Demokratie langsam abwärts geht. Russisch und Englisch. Es gibt noch nicht mal eine weissrussische Version dieser Seite!
- www.belarus-botschaft.de: Internetauftritt der Botschaft. Mit Infos zur Visabeschaffung. Deutsch und Russisch.
- www.belarusnews.de: Deutschsprachiges Online-Magazin über Belarus – durchaus kritisch!
- www.cmgraesser.de: Engagierte Deutsche, die Hilfe für invalide Kinder in Brest organisiert. Die Webseite enthält auch allgemeine Infos zum Land sowie sehr beunruhigende Fakten über das Problem der Strahlenbelastung im Land.
- www.belarustour.com: Privates (!) Reisebüro in Belarus – bietet wohl auch Privatunterkünfte an. Allerdings: 40 USD für den Visa Support ist viel zu viel!!! Woanders kostet das 3 oder 4 Dollar! Deshalb mit Vorsicht zu geniessen. Die Seiten sind auf Englisch.