Vorwort
Nach fast zwei Jahren Ostasien-Abstinenz habe ich es 2001 dann doch endlich mal wieder geschafft, mich in jenige Gefilde zu begeben. Hauptziel war wie so oft Japan, doch habe ich die Gelegenheit genutzt, mit China Airlines zu fliegen und in Taiwan für eine gute Woche Zwischenstation zu machen – allein.
Nach einigen Japanreisen und einer Tour durch die Volksrepublik China war ich recht neugierig auf Taiwan, um zu sehen, wo genau zwischen der VR China und Japan sich Taiwan angesiedelt hat.
Enttäuscht wurde ich nicht – abgesehen vom Wetter in Taipei. Es war sehr interessant, zu sehen, wie sich China ohne Kommunismus entwickelt hat – beziehungsweise, so nichts dazwischen kommt, kann man anhand von Taiwan sehen, wo die gesamte VR China in einigen Jahren sein wird. Von den Tigerstaaten, also Korea, Thailand usw., fand ich Taiwan am beeindruckendsten. Das gesamte Land boomt, und der Lebensstandard ist sehr hoch.
Doch Taiwan ist weitaus mehr als nur ein hochentwickeltes Land. Ein paar wenige Stunden im Bus oder Zug, und schon ist man in der atemberaubenden Bergwelt im Inselinneren angelangt. Viele der Berge reichen an die 4’000 m heran und sind leicht zu erreichen. Wer also vor der Moderne fliehen möchte, kann das in Taiwan leicht tun…vor den einheimischen Touristenscharen zu fliehen ist wiederum nicht so einfach.
Taiwan ist „China light“ für Touristen. Während es mitunter sehr abenteuerlich ist, Festlandchina zu bereisen (als Rucksacktourist, versteht sich), ist es hier recht einfach, herumzukommen, preiswerte Hotels in Taiwan zu finden, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen etc. Allerdings fehlt ein bisschen der „thrill“. In Taiwan ist alles etwas teurer, aber durchaus noch erschwinglich. Gerade wegen der Natur ist Taiwan definitiv eine Reise wert!
Kurzreisebericht
Taipei & Umgebung
Wie so ziemlich jeder Taiwan-Reisende, kam ich am Chiang Kai Shek-Flughafen im Norden des Landes an. Von dort ging es mit dem Bus (rd. 4.5 €)in die Innenstadt von Taipei, der Hauptstadt des Landes. Von Taipei aus kommt man bequem mit der MRT, einer Art U-Bahn, ans Meer, zum Beispiel nach Tamsui. Mit der oder dem Bus kommt man ansonsten überall in der Stadt ans gewünschte Ziel. Die MRT kostet je nach Entfernung 20 bis 60 Yuan (0.60 bis 2 €)
Hualien
In Taiwan gibt es, wie in den meisten Ländern, drei Möglichkeiten, längere Distanzen zurückzulegen: Bus, Bahn und Flugzeug. Eine Bahnlinie führt um die ganze Insel herum. So machte ich mich mit der Bahn auf den Weg nach Hualien an der Ostküste. Mit dem zweitschnellsten Zug (juguang) dauert es rund 4 Stunden und kostet 343 Yuan (rd. 11.5 €). Fahrkarten kaufen ist in Taiwan kein Problem, und im Gegensatz zu Festlandchina gibt es scheinbar genug Karten.
Taroko & Lishan
Von Hualien wollte ich das Land durchqueren, um nach Taichung an der Westküste zu gelangen. Das geht nur mit dem Bus (105 Yuan = 3.5 €). Also ging es erstmal nach Tianjiang in der Taroko-Schlucht. Das dauert knapp zwei Stunden und man durchquert die wirklich sehr schöne Taroko-Schlucht. Da das Wetter zu schlecht zum Wandern war, fuhr ich umgehend mit dem nächsten Bus nach Lishan – tief in den Bergen (216 Yuan). Das dauert gute vier Stunden. Die Strecke ist selten schön – quer durch und hoch auf die Berge. Nichts für schwache Mägen, da es fast durchgehend Serpentinen sind. Nach einer Weile tauchten wir sogar aus dem Wolkenmeer auf – ein erhabener Anblick.
Trampen in Taiwan: Nach Taichung
Einen Tag später wollte ich von Lishan mit dem Bus nach Taichung, aber die Strasse ist immer noch gesperrt und es gibt keinen Bus. Dafür fährt ein Kleinbus – von der Regierung gesponsert und somit umsonst – direkt nach Taichung, über eine Alternativroute. Es fahren zwei pro Tag – 8 Uhr und 13 Uhr. Aber: Sie scheinen Touristen nicht mitzunehmen! Ich habe etwas diskutiert, aber es war zwecklos. Man bot mir an, mich für 500 Yuan mitzunehmen (etwa 17 €) … das erschien mir viel zu viel. Also beschloss ich zu trampen.
Ich lief erstmal aus dem Ort heraus, der ziemlich lang ist – alle 15 Minuten kam ein einziges, zumal vollbesetztes oder nur zum nächsten Haus fahrendes Auto vorbei…nach einer Stunde begann ich zu zweifeln. Aber irgendwann hielt doch ein älterer Herr an und nahm mich mit – fünf Kilometer! Immerhin… Dort lief ich eine weitere halbe Stunde. Dann hielt eine Familie an. Man sprach nur Chinesisch, also war die Konversation nach wenigen Minuten beendet. Ältere Taiwanesen sprechen Japanisch, also fragte ich den neben mir sitzenden Opa, ob er Japanisch spreche. Er sagte „Ein bisschen“ und begann plötzlich, alte japanische Kampflieder zu singen! Unglaublich – und sehr unterhaltsam.
Ich wollte erst zur Kreuzung Dayulin, um zu sehen, ob von dort eventuell ein Bus fährt. Doch die Familie sagte mir bereits, dass es keinen Bus gibt. Man setzte mich in Dayulin ab, und ich begann Richtung Puli (auf dem Weg zwischen Dayulin und Taichung) zu laufen. Ein Schild, auf dem irgendetwas mit Schnee und nicht passierbar stand, verwirrte mich etwas…andererseits stand auch etwas mit Reifen dort, also vielleicht nur eine Warnung an Nicht-Winterreifen-Besitzende.
Dann kamen auch schon die ersten Autos. Ein Transporter hielt an, und der Fahrer sagte irgendwas von 300 Yuan… Ich fragte nochmal nach, doch er meinte 3000 Yuan…100 €! Unverschämtheit. Ein weiterer Kleinbus hielt später an und der Fahrer nannte 500 Yuan als Preis bis Puli. Das war auch zu viel, und ich handelte – das ging sehr einfach, und wir einigten uns auf 200 Yuan. Im Auto sass noch einer, und es lag viel Werkzeug im Wagen – offensichtlich ein Servicewagen. Der Fahrer kaute unentwegt Betelnüsse…kein schöner Anblick. Der Fahrer war zudem etwas aufdringlich aber nett. Zu nett. Schnell ging es herauf in verschneite Höhen, und bald auch in die Wolken. Bald gelangten wir an einem grossen Parkplatz an…komplett mit Hotel, Imbissbuden und vielen, vielen Besuchern. Der Fahrer hielt, suchte und brüllte etwas herum. Er schleppte ein Auto ohne Winterreifen aus dem Schnee, nahm ziemlich viel Geld dafür und suchte weiter herum. Nach einer halben Stunde endlich fuhr er weiter, und es ging noch höher. Ein weiterer Parkplatz und das gleiche Spiel. Einige andere Servicewagen umkreisten das Geschehen wie Schmeissfliegen und blockierten eigentlich nur. Der Fahrer diskutierte und rief und brüllte weiter mit verschiedenen Leuten. Ich begann zu zweifeln, dass ich mit dem Gefährt bis nach Puli komme. Und tatsächlich – man sagte mir, es werde lange dauern, gab mir 100 Yuan zurück (immerhin), und ich stieg aus. Dann merkte ich, wo ich war: Mitten auf dem Hehuanshan, einem immerhin 3412 m hohen Berggipfel.
Da es dann doch ziemlich kalt war, beschloss ich, loszulaufen, auf ein Auto zu hoffen und wenigstens aus den Wolken zu kommen. Lange musste ich nicht warten – ein Van voller lustiger Frauen hielt an. Sie waren alle um die 30 bis 40 und schienen sehr viel Spass zu haben. Auch hier – null Englisch. Aber irgendwie konnten wir uns doch verständigen. Kaum waren wir aus den Wolken, hielten sie an und erklärten mir, dass sie eine halbe Stunde Pause machen und essen wollen… Da ich nicht sehr hungrig war und auch nicht wie ein Dackel warten wollte, machte ich deutlich, dass ich loslaufen und weiterhin mein Glück versuchen will – und falls selbiges nicht eintrifft, sie mich ja wieder auflesen können.
Zu laufen war eine Wohltat, denn die Landschaft war schlichtweg spektakulär, und die Temperatur schon wesentlich höher. Lange lief ich auch hier nicht – ein junges Ehepaar nebst Kleinkind hielt an. Das Baby schaute mich völlig fasziniert an. Wir versuchten uns erst wieder, auf Chinesisch zu unterhalten. Das ging zwei, drei Minuten gut, dann war das Vokabular (meins wohlgemerkt) erschöpft. Englisch auch hier: Fehlanzeige. Letzte Chance: Japanisch. Die junge Frau schrie leise auf: Volltreffer. Sie lebte vier Jahre in Japan und war dementsprechend fliessend. Na bitte. Der arme Gemahl freilich verstand kein Wort, was nicht schlimm war, da das Baby ihn auf Trab hielt. Jetzt konnte sie mir auch endlich verständlich machen, was sie mir die ganze Zeit versuchte zu sagen: Sie fahren nicht sehr weit; nur bis zu einem nahegelegenen Dorf. Von dort aber fahren Busse. So setzte man mich auf einem Parkplatz neben der Haltestelle ab, sie gab mir noch ihre Adresse und lud mich ein.
Ob es etwas zu sagen hat, wenn Spinnweben den Busfahrplan umgarnen? Ein Bus sollte in fünf Minuten fahren – was er aber nicht tat. Die Haltestelle machte einen extrem verlassenen Eindruck – und ich scheinbar einen sehr verwirrten, denn schon hielt ein Auto, das ich nicht herangewunken habe, an. Ein ganz junges Pärchen lud mich ein. Beide waren sehr nett… Sie sprach ein bisschen englisch (weshalb sie wohl anhielten), er lächelte nett. Auch sie fuhren nicht weit und setzten mich vor einem Hotelkomplex – von denen es dort sehr viele gibt – ab, und sagten, von dort fahre ein Bus.
Das stimmte auch, aber nur für die Hotelgäste. Also lief ich weiter Richtung Tal, dessen Sohle noch weit unter mir lag. Eine Weile wollte ich laufen ohne zu trampen – vielleicht gibt es ja doch einen Bus. Auch hier kam ich nicht weit. Ein ein guten Meter breites und nicht viel längeres Vehikel mit Rundumleuchte (ein eingelaufener Abschleppwagen!?) hielt an – einer der Wagen, bei denen man beim Trampen den Daumen schleunigst wieder in der Tasche oder sonstwo versenkt. Das Innere war mehr als schmutzig; der betelnusskauende (ich hatte es erahnt) Fahrer ebenfalls. Die wenigen Zähne schimmerten rötlich-braun vom Betelnusssaft. Egal. Er sagte, dass er nach Puli fahre. Sein Lachen war unglaublich – einfach ansteckend. Ein seltsamer V…äh…Mensch. Seine Art war, wie die so ziemlich aller betelnusskauenden Menschen, etwas unangenehm. Irgendwann fing er an, von Bin Laden zu erzählen und dass er selbst Moslem sei – was ich ihm irgendwie nicht glauben konnte. Tatsächlich – er fuhr nach Puli, wo die Berge zu Ende sind. Er fragte mich, wo ich noch hin wolle – nach Taichung antwortete ich – und er machte Anstalten, mich zum Busbahnhof zu bringen. Unterwegs sah er zwei „Weisse“ – plötzlich riss er das Steuer herum, hielt auf sie zu, rief „Kollegen!!“ zu mir, hielt neben ihnen und kurbelte mein Fenster herunter. „!!??“ dachte ich nur, sagte „sorry, he is a bit crazy“ zu ihnen (sie waren ausgerechnet auch noch die von mir heissgeliebten amerikanischen Missionare) und sagte meinem seltsamen Freund „bu yao, xie xie“ (nein danke!). Wenig später setzte er mich am Busbahnhof ab, wo sich ein netter alter Mann meiner annahm.
Dieser freute sich, mich zu sehen (kennen wir uns!?) und erklärte mir, wann ich womit und wie nach Taichung komme, nämlich 10 Minuten später mit dem nächsten Bus. Der kostet 106 Yuan (3.5 €) und es dauert knapp zwei Stunden. Na bitte, so gesehen habe ich von Lishan bis Taichung insgesamt gut 200 Yuan gezahlt – aber, was noch mehr zählt – es war hochinteressant.
Zurück nach Taipei
Einen guten Tag später ging es zurück nach Taipei. Dieses Mal wollte ich mal mit einem Langstreckenbus fahren, denn die fahren häufiger als die Bahn. Das Ticket kostet 240 Yuan (8 €). Der Bus aber: Zweistöckiger Superluxusbus. Grosse Leder-Polstersessel mit Fussstützen, Audio, Video…unglaublich bequem und zudem schnell! Normalerweise fahre ich lieber mit dem Zug als mit dem Bus, aber in Taiwan sind Langstreckenbusse sehr empfehlenswert!
Links
Interne Links
- Tabibitos China-Seiten: Ausgewählte Reiseziele, zahlreiche Fotos und Hintergrundinformationen.
- Japan-Almanach & Blog Die wohl grösste private Seite im deutschen Internet über Japan als Reiseziel. Es gibt viel zu entdecken!
Externe Links
- http://www.taiwanese.de Kleine, feine Seite mit nützlichen Infos für Taiwan-Interessierte. Auf Deutsch.
- Wikipedia über Taiwan
Unverzichtbare Informationsquelle. - BAMBUSBRIEF des Taiwan-Freundeskreises
Online-Ausgabe des Taiwan=Newsletters, erstellt vom Taiwan-Freundeskreises. Jeder, der sich etwas näher mit Taiwan beschäftigt, sollte hier gelegentlich mal reinschauen oder den Newsletter abbonieren. - www.Chinalink.de Grosses, deutschsprachiges Forum über den gesamten chinesischen Kulturkreis. Interessant vor allem die Seite
über die Sprache und die Schriftzeichen – mit zahllosen europäischen Namen in Schriftzeichen.