Name
Trakai. Nicht zu verwechseln mit dem ungarischen ‚Trokai‘! Früher wurde der Ort in Nowy Troki (Neu-Trakai) und Stary Troki (Alt-Troki) unterteilt. Das Wasserschloss und das alte Dorfzentrum befinden sich jedoch im einstigen Neu-Trakai. In Annalen taucht auch der ganz alte Name Senieji Trakai auf.
Lage
Trakai liegt nur knapp 30 km westlich der Hauptstadt Vilnius. Der Ort liegt noch im Vilnius Apskritis (Bezirk Vilnius), bildet aber einen eigenen Distrikt. Der Distrikt Trakai ist rund 1200 km² gross. Allein in diesem Gebiet gibt es rund 200 Seen. Trakai liegt zudem im Mittelpunkt des Trakaier Geschichtsnationalpark – eine litauische Erfindung.
Einwohner
Der Ort Trakai selbst hat nur gut 6000 Einwohner, wobei die meisten ausserhalb des historischen Zentrums leben. Nur 65 Einwohner gehören dem Volk der Karaim (Karäer) an – mehr dazu siehe unten.
Stadtbild
Die Stadt ist klein und übersichtlich, aber es mangelt am Busbahnhof an Wegweisern. Der Bahnhof und der Busbahnhof liegen im Süden der Stadt, wobei der Bahnhof noch einen halben Kilometer weiter entfernt vom Zentrum liegt. Vom kleinen Busbahnhof läuft man quer durch ein Wohngebiet und an einer Schule vorbei Richtung Norden. Die Vitauti-Strasse ist die Hauptstrasse, die nach Norden führt. Der Ort ist lang und schmal und wird im Westen vom Totoriškių ežeras (Totoriskes-See) und im Westen vom langen Lukos ež. (Lukas-See) begrenzt. Man kommt zuerst an einer grossen Kirche vorbei, ein paar hundert Meter weiter nördlich an den Resten einer Festung. Dann beginnt die Karaimų-Str. – das alte Dorfzentrum mit dem Holzhäusern. Ganz am nördlichen Ende führen schliesslich zwei Brücken zum eigentlichen Schloss von Trakai, zu finden auf einer kleinen Insel im fast 400 ha grossen Galvė ež. (Galve-See). Vom Busbahnhof bis zum Schloss sind es rund 2.5 km.
Geschichte
Die Geschichte des Ortes begann wahrscheinlich im 13. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert wurde der Ort bedeutend, als Großfürst Gediminas (siehe Geschichte Litauens) hier den Bau einer Burg beschloss. Trakai war dabei auch hilfreich, den Angriff des deutschen Ritterordens zurückzuschlagen. Gediminas‘ Sohn sorgte gar dafür, dass Trakai zur Hauptstadt des damals sehr grossen Fürstentums Litauen wurde. Später verlegte man jedoch die Hauptstadt nach Vilnius. Danach diente diese Burg den Herrschern der Polnisch-Litauischen Union als Nebensitz.
Viele Minderheiten liessen sich aufgrund liberaler Gesetze im Ort nieder – darunter Russen, Karaim, Tataren und andere. Mit der sinkenden Bedeutung Litauens in der Union sank auch der Stern von Trakai. Im 16. Jhd. wurde er schliesslich völlig unbedeutend und die Burg zerfiel. Hinzu kam die Plünderung und Zerstörung des Orts durch russische Truppen im 17. Jahrhundert. Seitdem verfiel der Ort in einen langen Dornröschenschlaf. Erst jetzt erlebt der Ort eine Renaissance – als beliebtes Ausflugsziel für Touristen.
Anreise
Man kann sowohl mit der Bahn als auch mit dem Bus von Vilnius nach Trakai fahren. Züge scheinen jedoch nur selten zu fahren. Es gibt ein bis drei Busse pro Stunde vom Busbahnhof in Vilnius. Die schnellen, direkten Busse brauchen rund 30 Minuten. Viele Busse fahren weiter nach Alytus. Die einfache Fahrt kostet 2,60 Lt. Die langsamen Überlandbusse brauchen 45 Minuten und kosten genauso viel.
Sehenswertes
Es dauert eine ganze Weile wenn man vom Busbahnhof aus gen Zentrum läuft, bis man etwas anderes ausser langweiligen Wohnsilos und grauen Geschäften sieht. Zwei Strassen führen zum Ortskern – eine kleine Strasse aussenrum sowie die gerade Vitauto-Strasse. Auf halbem Wege findet man dort auf der linken Seite auch die Touristeninformation. Noch ein paar hundert Meter weiter nördlich steht die grosse wenn auch ziemlich unspektakuläre Katholische Kirche, erbaut in der Blütezeit der Stadt.
Von der Kirche läuft man nur noch ein bisschen weiter gen Norden, bis man rechterhand die Ruinen des Trakų Pusiasalio Pilis (Trakaier Halbinsel-Schloss) sieht. Jenes wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts gebaut, fiel aber massiven Zerstörungen anheim. Heuer wird dieses Schloss restauriert – ein Turm ist bereits fertig, ein anderer ist halbfertig. Wie es scheint, möchte man das gesamte Schloss wieder aufbauen.
Ungefähr auf Höhe des Schlosses geht die Hauptstrasse in die malerische Karaimų (Karaim-Str.) über. Hier reihen sich zahlreiche alte Holzhäuser aneinander. Ein paar davon sind auch zerfallen, aber die meisten sind bewohnt und sehen gut aus. Auffallend ist die fast gleiche Struktur: Keine Tür vorn, drei Fenster im Erdgeschoss usw. Eine sehr hübsch anzusehende Dorfstrasse.
Namensgeber dieser Strasse sind die Karaimų, die oft auch Karay, Karaimu, Karaim und hier Karäer genannt werden. Sie kamen zusammen mit Tataren von der HI. Krim in die Gegend. Die damals mächtigen Litauer kämpften damals gar gegen die Goldene Horde in den weiten Steppen der Südukraine. Um die neu eroberten Gebiete zu besiedeln, brachte man etliche Leute ins heutige Litauen. Damals dienten sie hauptsächlich dem König Vytautas als Leibgarde. Dazu zählen die Karäer – jedoch! Weltweit gibt es wohl nur noch um die 45,000 Karäer, die Hälfte davon lebt im heutigen Israel. Die Karäer stammen vom alten Volk der Kipchak ab, welche nach und nach von der heutigen Mongolei gen Westen wanderten. Karäer glauben an das alte Testament und die Thora, lehnen jedoch den Talmud ab. Aus unserer Sichtweise gehören sie also zu den Juden, aber Israel sieht das anders – dort gelten sie als Goj – Nichtjuden.
Jedoch leben in ganz Litauen nur noch 257 Karäer – mehr als die Hälfte davon in Vilnius. Trotzdem gilt Trakai noch als karäisches Zentrum Osteuropas. Auch in Istanbul haben sie ihre Spuren hinterlassen: Der zentrale Stadtteil Karaköy ist nach ihnen benannt.
Die Karäer sind ein Turkvolk und sprechen deshalb eine Turksprache, die rein gar nichts mit indo-europäischen Sprachen zu tun hat. Da die Karäer seit mehr als 500 Jahren isoliert leben, gilt das Karäische als ungewöhnlich reine und ursprüngliche Turksprache. Ob diese Sprache bei nur 257 Menschen (1959: 423) gepflegt werden kann, ist mehr als fraglich. Alles in allem ist es, trotz vielseitiger Minderheitsrechte, eine aussterbende Sprache und Minderheit.
In der Karaimų-Strasse steht die unscheinbare Kenesa – das Gotteshaus der Karäer. Ob dieses Wort etwas mit der ‚Knesset‘ (Parlament Israels) zu tun hat, ist unklar aber durchaus denkbar. Das man bei nur noch 65 Karäern in Trakaj nicht mehr viel von der Minderheit und ihrem traditionellen Leben mitbekommt dürfte klar sein. Einen Überblick kann man sich jedoch im Karäischen Museum im Zentrum verschaffen.
Hauptattraktion des Ortes ist und bleibt jedoch für die meisten das Trakų Salos Pilis (Trakaier Inselschloss). Vom Ort selbst durch zwei kleine Brücken und eine zwischengelagerte Insel getrennt, nimmt diese rote Burg so ziemlich die komplette Insel im grossen Galvė ež. (Galve-See) ein. Diese aus Ziegelsteinen erbaute Wasserburg war einst Machtzentrum des mächtigen Fürstentums Litauen im späten Mittelalter. Nach der Zerstörung durch russische Truppen im 17. Jahrhundert verfiel sie leider zunehmend.
Doch auch in der Sowjetunion kümmerte man sich durchaus um die historischen Schätze des Landes. 1961 begann man mit der Rekonstruktion der Burg – das dauerte immerhin 26 Jahre. Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Konstruktion ist in zwei Teile untergliedert. Der Westteil ist eine waschechte Burg mit starken Aussenmauern, der Ostteil beherbergt scheinbar eine grosse Kirche. Ein von hohen Wällen umgebener Pfad führt zwischen die beiden Bereiche hindurch. Der Eintritt in die Anlage kostet 8 Lt.
Trakai ist als Tagesausflug von Vilnius wirklich empfehlenswert. Allein das Schloss, aber auch die romantische Dorfstrasse bieten eine willkommene Abwechslung zum üblichen Großstadtprogramm.
Übernachtung
Im Zentrum sieht man einige Pensionen; eins, zwei Hotels kommen noch dazu. Viele übernachten jedoch nicht hier sondern in der Hauptstadt (siehe Übernachtung in Vilnius).
Da gerade im Sommer viele Besucher kommen, gibt es zahlreiche Restaurants im Zentrum. Dazu zählt zum Beispiel das Trys langai, ein kleines, gemütliches Restaurant bzw. eher eine Bar mit Terasse. Wenn man vom Busbahnhof aus die Hauptstrasse entlangläuft, sieht man kurz vor der Kenesa auf der linken Seite einen Aushang des Restaurants. Es gibt litauische Gerichte und auch Sachen wie Pasta. Für 3 bis 4 Euro wird man da satt und die Bedienung ist auch nett. Auf der Speisekarte findet man auch die lokale Spezialität Kibinai – das sind kleine gebackene Teigtaschen gefüllt mit Schafsfleisch. Durchaus empfehlenswert!
WWW
- www.trakai.lt: Offizielle Seite der Stadt und des Umlandes. Auch auf Englisch und durchaus informativ.
- daugenis.mch.mii.lt/karaimai: Englische und litauische Seite der Karaim-Kulturgesellschaft.