Der vorletzte Morgen in Irland – so schnell geht das. Ich packe meine sieben Sachen, verlasse das Hotel und laufe zum trostlosen Parkhaus des hiesigen Aldi, denn den kann man als Hotelgast kostenlos nutzen. Für diesen letzten vollen Tag in Irland war ich etwas unsicher, was ich tun soll – immer an der Küste entlang zum südöstlichen Zipfel der Insel, nach Wexford und dem Wicklow Mountains Nationalpark nahe Dublin, bevor es zurück in die Hauptstadt geht? Irgendwann vor 18 Uhr muss ich da sein, um das Auto abzugeben. Doch dann siegt mal wieder der Kartenfan in mir: Meine Photo-App zeigt mir an, dass ich in allen vier Ecken der Insel Fotos gemacht habe, nicht aber im Zentrum von Irland. Also entscheide ich mich, nach Athlone zu fahren, zumal ich von Jemandem in Dublin gehört habe, dass es dort den möglicherweise ältesten Pub der Welt gibt. Kaum verlasse ich die Stadt, wird das Wetter auch plötzlich wieder besser – und mit 18 Grad ist es richtig warm geworden. Es geht wieder erstmal Richtung Kilkenny, doch danach sind es meistens Landstraßen. Manche Straßen sind so schmal, dass man sich wundert, wie die Fahrer hier unfallfrei durchrauschen. Aber dem ist offensichtlich nicht so – mitten im Nirgendwo blockieren vor mir drei Autos den Landweg – aus dem Gebrüll der Fahrer kann ich entnehmen, dass der Eine dem Anderen den Spiegel abgefahren hat. Na dann, viel Spaß beim Herausfinden, wer Schuld hat. Sicher eine Millimeterfrage.
Nach gut 2,5 Stunden habe ich es geschafft – ich bin im Zentrum von Athlone, und diese kleine Stadt so ziemlich genau in der Mitte der Insel sieht richtig interessant aus – es gibt eine kleine, schöne Burg, direkt daneben eine interessante Kirche sowie hinter der Burg ein hübsches kleines Stadtzentrum, mit der quietschblauen Sean’s Bar, eigenen Angaben zufolge (und sorgfältig überprüft von den Autoren des Guinness-Buch der Rekorde) der älteste Pub von Irland. Gegründet wurde er wohl im Jahr 900, und bei Restaurierungsarbeiten in den 1970ern fand man in der Tat eine Wand aus jener Zeit sowie Münzen und dergleichen. Der Pub bemüht sich auch um den Titel »ältester Pub der Welt« – bislang wurde wohl kein älterer gefunden. Hier erfährt man auch einiges über Whiskey – so zum Beispiel, dass man wohl schon im 6. Jahrhundert in der Nähe von Athlone selbigen brannte. Der Name »Whiskey« taucht aber wohl erst in Dokumenten aus dem 15. Jahrhundert auf, abgeleitet vom Gälischen »Uisce Beatha«, was, man ahnt es, »Wasser des Lebens« (genau wie Aquavit) bedeutet.
In Sean’s Bar kann man leider nicht speisen – und ein Bier kann ich leider auch nicht trinken, da ich ja noch nach Dublin zurückfahren muss. Nach einer kurzen Mittagspause in einem nahegelegenen Cafe mache ich mich wieder auf dem Weg. Beim einstudieren der Route fiel mir dabei auf, dass ich durch eine Ortschaft mit dem Namen Kilbeggan komme. Kilbeggan? Genau, ein Whiskey kommt von hier. Vorher ist mir auf dem Weg auch schon die Ortschaft Tullamore aufgefallen. Also verlasse ich die Autobahn kurz, um mir die Brennerei anzusehen – wohl die älteste Brennerei Irlands. Ich wundere mich ein bisschen über ein Schild, auf dem steht, wie viele Tage seit dem letzten Unfall in der Brennerei vergangen sind, denn auf diesem prangen die Namen »Beam« und »Suntory«. Kurz nachgefragt, bestätigt sich das Ganze: Suntory, ein japanischer Getränkegigant, der auch passable Biersorten – und Whiskey – in Japan herstellt, ist Eigentümer der Brauerei. Und die ist in der Tat wirklich sehr interessant – sowohl visuell als auch olfaktorisch. Ich kann mich gerade so zusammenreissen, nicht eine Flasche aus Direktabfüllung zu kaufen, denn hier dominiert Whiskey aus Bourbonfässern, und das ist nicht so mein Ding. Und so geht es nach dem kurzen, aber sehr lohnenswerten Abstecher weiter, Richtung Dublin.
Es geht zügig voran, doch kaum bin ich auf der Stadtautobahn, weigert sich das Unterhaltungssystem des Autos, sich weiter mit meinem Handy zu paaren. Und nicht nur das: Das GPS spielt verrückt und hinkt meiner eigentlichen Position um mehr als zehn Minuten hinterher. Ich weiss zwar, dass mein Hotel zwischen Flughafen und Stadtzentrum liegt, aber ich fliege von nun im Prinzip blind, im immer dichter werdenden Verkehr. Ich kann mich lediglich an der Beschilderung zum Flughafen im Norden und den Bergen südlich von Dublin orientieren. An einer Ausfahrt, bei der ich vermute, dass sie in Hotelnähe sein müsste, fahre ich ab, halte in einem Wohngebiet und beobachte auf meinem Handy amüsiert, wie sich mein Laptop, mein iPad und mein iPhone an verschiedenen Orten befinden – Orte, die ich vor zehn bis zwanzig Minuten passiert hatte. Endlich treffen sich die drei Geräte – hier muss ich also sein. Ein Neustart des Autos und des Handys sorgen dann auch endlich dafür, dass ich eine Navigation habe. Und ich bin nicht mehr weit weg vom Hotel. Das Dublin Skylon Hotel liegt in einer relativ ruhigen Gegend und ist alles in allem recht schön. Also Auto abgestellt, Sachen ins Zimmer und gleich wieder los, denn ich muss quer durch das Stadtzentrum, um den Wagen abzugeben. Mal eben quer durch Dublin fahren ist zwar nicht ganz so leicht, aber nach einer knappen Stunde bin ich durch – und hake noch einen letzten Programmpunkt ab: Ein kurzer Abstecher zur Guinness-Brauerei. In die man ohne online-Anmeldung nicht reinkommt. Selbst den Parkplatz kann man nicht ohne die Voranmeldung benutzen. Also geht es zu Fuss rund um die gewaltige Anlage – die von der Größe her an osteuropäische Industriekombinate erinnert. Und das alles, um Bier zu brauen.
Die letzte Hürde: Das Auto volltanken. Allzu viele Tankstellen gibt es nicht, aber die Navi schlägt mir Circle K vor, in Irland eine Tankstellenkette – und früher in Japan eine Convenience Store-Kette. Je näher ich der angeblichen Tankstelle komme, desto skeptischer werde ich. Und siehe da – die letzten Meter soll ich in die komplett für den Autoverkehr gesperrte Fußgängerzone fahren. Dort gibt es in der Tat einen Circle K – nur eben ohne Tankstelle. Na toll. Nach einer Weile herumfahren ist endlich eine Tankstelle gefunden, und gegen 17 Uhr bin ich das Auto endlich los. Tschüß, Seat. War gar nicht so schlecht. Und flink geht es zu Fuß weiter, durch den großen Park St Stephen’s Green und durch die Fußgängerzone zum James J Fox, einem sehr gut aufgestellten Whiskeyladen. Nach ein bisschen Beratung ist ein passender Whiskey gefunden – ein
»Lazy Dog« genannter Single Pot Still, eine Gemeinschaftsproduktion von JJ Corry und James Fox. Dabei trinke ich in letzter Zeit kaum noch Whiskey – erst recht, seit mein Lieblingswhisky, der 17-jährige Glendronach, vom Markt verschwunden ist. Aber einen guten Tropfen für besondere Anlässe sollte man schon im Haus haben.
Zu guter Letzt komme ich auch noch in den Genuss, mit einem der Doppelstockbusse zurück zum Hotel zu fahren. In Japan gibt es die leider nicht – sicherlich wegen all der Stromleitungen, die überall herumhängen. Am Hotel angekommen wartet noch eine weitere Tradition – ein Besuch des örtlichen Supermarkts, nur so zum Spaß und um noch ein paar Sachen einzukaufen. Den Abend lasse ich bei einer Pinte im Pub nebenan ausklingen.
–
Mein Flug startet gegen 9 Uhr – also heißt es früh raus aus den Federn – und mit einem Taxi zum Flughafen, denn so viel habe ich gelernt: Taxis sind hier ziemlich preiswert. Am Flughafen ist es richtig regnerisch und mit gerade Mal 10 Grad ziemlich kalt, weshalb es etwas komisch aussieht, dass viele Leute dem Wetter des Reiseziels entsprechend gekleidet sind, sprich mit Shorts und T-Shirts. Offensichtlich fliegt der Großteil gen Süden. Das wird dann auch auf dem Dachgarten des Flughafens offensichtlich, wo sich bereits viele junge und sehr knapp bekleidete Menschen laut krakeelend einen hinter die Binde giessenn. Die armen Flugbegleiter und anderen Passagiere….
Und so endet dieser Abstecher nach Irland. Zehn sehr schöne Tage – und wenn ich das richtig bedenke, war das sogar mein längster Aufenthalt in einem englischsprachigen Land. Weder in Australien noch in den USA, Indien oder Großbritannien war ich länger als eine Woche. Eigentlich traurig. Auf jeden Fall bin ich Fan geworden – die Landschaft ist wirklich wunderschön und die Menschen sind sehr nett, auch wenn man irgendwo spüren kann, dass man einem Iren besser nicht ans Bein pinkelt. So was macht man aber auch generell nicht, egal wo.