Kars

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Tag 12: Akhaltsikhe (Georgien) – Kars (Türkei). Hier geht die Reise weiter: Tag 13: Kars – Istanbul

Heute ging es wieder um acht Uhr los, was sich allerdings später als völlig unnötig erweisen sollte. Alle Cafes und Restaurants waren noch geschlossen, so dass wir eben ohne Richtung Bahnhof zogen. Am Schalter des Busbahnhofes fragten wir nach einem Bus Richtung Grenze – oder wenigstens einer Marshrutka. Der Schalterbeamte machte deutlich, dass es so etwas nicht gebe. Ich solle es mal an der Haltestelle unterhalb der Festung versuchen. Aber von dort schien auch nichts zu fahren – ausser Ladas, die so randvoll mit Melonen bepackt waren, dass sie nachts mit ihren Scheinwerfern den Mond angestrahlt hätten. So richtig weiterhelfen konnte uns niemand – es schien wirklich nichts zu fahren. Ausser natürlich Taxis. Ein Taxifahrer bot uns an, uns für 10 US-Dollar zu fahren, aber ich lehnte erstmal ab. Zuerst musste ich noch wenigstens ein Souvenir kaufen – eine Flasche georgischen Wodkas, der gerade mal drei Lari kostete, wobei dieser der teuerste im Angebot war. Da keine Wahl bleibt, steigen wir nun doch in ein Taxi. Den Fahrer haben wir zuvor von 20 auf 15 Lari heruntergehandelt. Mit ihm unterhalten wir uns auf der Fahrt. Er hat nur noch zwei Finger an der rechten Hand und stammt aus Armenien, weshalb er sich sehr freut, als er erfährt, dass wir von dort gekommen sind.

Moderne Transportmittel nahe der georgisch-türkischen Grenze
Moderne Transportmittel nahe der georgisch-türkischen Grenze

Wie erwartet, wurde die Strasse Richtung Grenze zunehmend schlechter. Wir fahren unterwegs durch das grosse Dorf Vale, und stellen fest, dass man die Grenze niemals allein finden würde! Keine Wegweiser, keine feste Strasse, viele „Kreuzungen“… Richtung Süden öffnet sich das Land und man hat einen schönen Fernblick. In einem Tal dann liegt der Grenzübergang. Für die rund 20 km von Akhaltsikhe brauchen wir fast eine Stunde. Am Ziel angekommen, will ich unserem Fahrer die 15 Lari geben. Ich habe aber nur einen 50 Lari-Schein, den er nicht wechseln kann. Also gebe ich ihm 8 Dollar, worüber er sich riesig freut. Mittlerweilen ist es schon fast um 10 – auf der anderen Seite, der Türkei, allerdings erst um acht Uhr morgens. Die Grenzstation sieht völlig verlassen aus. Wir wagen uns zum ersten Häuschen, wo man uns mitteilt, dass die Grenze erst in anderthalb Stunden aufmacht. Ernüchtert laufen ein Stück zurück den Hügel hinauf, denn dort ist eine Tankstelle nebst Cafe. Allerdings hat alles noch zu. Und so bleibt uns nichts als zu warten – immerhin an einem schattigen Plätzchen.

Irgendwann tauchen zwei Lastwagen und ein Auto auf, die vor dem Tor warten. Gegen halb elf gehen wir nochmal zum Posten, da anderthalb Stunden vorbei sind, doch der Grenzer erklärt uns unwirsch, dass er es uns schon wissen lassen wird, wenn es losgeht. Das tut er auch etliche Minuten später. Nach der ersten Kontrolle geht es in eine Halle. An ihr erkennt man schon, dass normalerweise nur PKW’s hier passieren. Während wir etwas warten, unterhalte ich mich kurz mit einem offensichtlich reichen Georgier, der nebst Mercedes und Chauffeur auf die Passkontrolle wartet. Die ist bald erledigt. Weiter geht es zum Tor. Die Grenze ist gut gesichert – hohe Zäune und viele Wachtürme, dazwischen ein schmaler Streifen Niemandsland. Kein Wunder – dies war die Grenze zwischen der Sowjetunion und der NATO. Das Tor ist noch nicht offen, obwohl auf der türkischen Seite viele Leute warten – und zwar fast alle mit Autos aus Deutschland! Interessante Vertriebswege…Man stempelt an einer kleinen Hütte unsere Visa ab, dann kommen von beiden Seiten Grenzoffiziere, die sich freundlich die Hand geben und schliesslich das Tor öffnen – aber immer nur für eins, zwei Autos. Wir stehen vorn und sind schnell drüben – die georgische Seite war gar kein Problem. Auf der türkischen Seite stehen viele Gebäude, und man deutet uns an, zu einem ganz kleinen zu gehen. Dort ist aber niemand – nur ein netter Mann, der vorbeikommt und uns freundlich lächelnd Tee bringt.

Der Ilgar Dağı Geçidi-Pass auf 2540 m Höhe in Ostanatolien
Der Ilgar Dağı Geçidi-Pass auf 2540 m Höhe in Ostanatolien

Wir laufen etwas herum und versichern uns, dass wir wirklich zu dem Häuschen sollen. Irgendwann kommt dann auch endlich jemand. Wir sind die ersten. Er kontrolliert die Pässe und sagt schliesslich „3 Dollar pro Person“. Ich war überrascht – seit wann zahlt man etwas an der türkischen Grenze? Ich versuche es und sage „Ich habe keine Dollar! Und türkische Lira auch nicht!“. Der Beamte bleibt stur und fragt nach anderem Geld. Ich sage, dass ich noch ein paar georgische Lari habe. Plötzlich mischt sich der georgische Mercedesfahrer hinter uns ein und sagt „Dann tausche ich euch eben die Lari in Dollar“. Nun kann man nichts machen – scheinbar muss man das wirklich bezahlen. Ich sage „Oh, Moment! Ich hab noch ein paar 1-Dollar-Noten!“ und gebe sie dem Beamten. Einen Versuch war’s wert. Das kommt davon, wenn man zu oft korrupte Beamte unterwegs gesehen hat – man weiss nicht, ob das geforderte Geld wirklich berechtigt ist und wenn nein, ob man es umgehen kann.

Nächste Station: Gesundheitskontrolle – wie an der Grenze zu Bulgarien! Ein klug dreinschauender Mann fragt „Sind sie gesund?“, man sagt „ja!“ und bekommt einen gigantischen Stempel in den Pass gedrückt. Wir denken nun, das wars, und gehen zum Tor – der Grenzer sagt aber „Auf zum Zoll!“ Dort bekommen wir noch einen Stempel, unter dem wir sogar – im eigenen Pass! – unterschreiben sollen. Jetzt sind wir endlich frei. Vor der Grenze stehen Taxis, aber wir laufen lieber. Entweder jemand nimmt uns mit, oder wir laufen zum nächsten Dorf. Das ist nicht weit, und nur ein Weiler, was uns nicht weiterhilft. Also laufen wir los. Unterwegs begegnet uns ein bewaffneter Trupp Soldaten. Da es hier angeblich Probleme mit Kurden gibt, bin ich etwas skeptisch, ob wir hier überhaupt sein dürfen. Aber sie grüssen nur freundlich. Wir laufen und laufen – es kommt einfach kein Auto. Die Landschaft ist zwar grandios, aber so kommen wir nicht weiter.

Nach fast einer Stunde kommen zwei Autos – der erste ist der georgische Mercedes. Und er hält sogar! Wir fragen, ob wir bis zur nächsten Kleinstadt mitdürfen. Die heisst Posof. Der Besitzer sagt „Klar“. Vorher passieren wir einen Checkpoint, an dem sich die Soldaten über die Zusammenstellung der Passagiere reichlich wundern. Kurz vor Posof, welches doch weiter entfernt als gedacht war, sagt der Fahrer, er biege ab nach Ardahan und fahre nicht direkt nach Posof hinein. Ich schaue kurz nach und sage, dass wir auch in die Richtung wollen. Und wir dürfen weiter mitfahren. Das zweite Auto, ein Lieferwagen, gehört dazu und wir müssen ab und an auf ihn warten. Der Mercedes – ein schwarzer, richtig teurer noch dazu – prescht die Serpentinen hoch, was richtig Spass macht, da hier die Strassen perfekt sind. Es geht höher und höher bis zum Ilgar Dağı Geçidi (Berg Ilgar-Pass), immerhin gute 2500 Meter hoch (siehe Photo), wo wir wieder auf den Lieferwagen warten und aussteigen können. Von dort hat man auch einen richtig guten Überblick über die hohe Bergwelt Ostanatoliens – bzw. einen kleinen Teil davon.

In der Innenstadt von Kars, Ostanatolien
In der Innenstadt von Kars, Ostanatolien

Weiter gehts mit über 100 Sachen quer durch die Berge und Täler mit den grasbedeckten, flachen Häusern, die denen von Nomaden ähneln. 60 km oder so später sind wir bei Ardahan. Und er fahre nicht direkt in den Ort, sondern vorbei bis nach Kars. Und wenn uns das was nützt, können wir auch bis dorthin mitfahren. Warum eigentlich nicht?

Also noch eine Stunde im Benz und auf nach Kars. Eigentliches Tagesziel ist ja die Stadt Erzurum, aber Kars ist gross und die Chance, von dort nach Erzurum zu kommen, wahrscheinlich auch. Wir erfahren unterwegs, dass der Besitzer ein Bauunternehmer ist, der in der Türkei Baumaterialien holen will. Irgendwann erwähnen wir, dass wir noch 100 Lari haben, die wir dummerweise weder in Akhaltsikhe noch an der Grenze zurücktauschen konnten. Und er bot uns an, sie uns abzukaufen, da man sie ausserhalb Georgiens nicht los wird. Kurz bevor wir aussteigen, kommen wir wieder darauf zu sprechen. Ich sage „if you want“, was nicht ganz glücklich formuliert war. Er ist etwas verstimmt und sagt, dass es ihm doch egal sei – er tue uns damit nur einen Gefallen. Womit er ja auch recht hat…Wir fahren am Busbahnhof vorbei, der vor der Stadt liegt, und in die Stadt hinein. Dummerweise kommt der Lieferwagen einfach nicht. Also fahren wir wieder zurück und suchen den Wagen. Da wir nun wieder am Busbahnhof sind, können wir auch dort aussteigen. Er gibt uns 45 Dollar für die 100 Lari, was wirklich fair war. Und wir sind ihm, der jetzt allerdings sehr verärgert ob des Lieferwagens ist, sehr dankbar. Und hungrig!

Also fallen wir mit Riesendurst und grossem Hunger in die dortige Kantine ein. Man bedient uns zwar sehr nett, aber das Essen ist grausam…dann suchen wir nach einem Bus Richtung Erzurum. Nun hat die Türkei ein sehr dichtes, funktionierendes Busnetz. Doch zur nächsten Großstadt, nach Erzurum, scheint nichts zu fahren. Man lässt uns im Büro warten, bietet uns Tee an, vertröstet uns…Wir warten und warten, bis man uns irgendwann mitteilt, dass doch nichts mehr fahre. Seltsam. Man bietet uns aber an, uns kostenlos mit dem Bus ins Stadtzentrum von Kars zu fahren.

Das müssen wir wohl oder übel annehmen. Im Zentrum von Kars angekommen marschieren wir erstmal sofort zum Bahnhof, um die Weiterfahrt zu sichern. Unterwegs werden wir ständig von Kinderhorden verfolgt und angesprochen: „Hello Mister!“, „What’s your name“
und „Money!“ sollen wir an diesem Tag noch hundert Mal hören… Am Bahnhof kommen wir 5 Minuten nach 5 Uhr an und stellen fest, dass die Schalter ab um 5 geschlossen haben! Da hilft nur eins: Ein verwirrter, völlig ratloser Gesichtsausdruck. Prompt kommt ein netter Mann und deutet an, dass wir warten sollen. Kurze Zeit kommt er wieder und öffnet doch tatsächlich den Schalter für uns! Wir sind begeistert…Obwohl er weder Englisch noch Deutsch kann, hat er viel Geduld mit uns und verkauft uns die gewünschten Fahrkarten. Abfahrt morgens 07:10. 2000 km. 39 Stunden Fahrtzeit.

Völlig geschafft aber glücklich suchen wir ein Hotel. Unterwegs sprechen uns viele an, ob wir eine Tour nach Ani, einer armenischen Ruinenstadt nahe der Grenze zu Armenien, suchen. Aus Zeitgründen leider nicht. Aber Ani muss wirklich eine Reise wert sein. Wir trösten uns damit, dass wir gerade erst in Armenien waren. Nachdem wir ein Hotel gefunden haben, erkunden wir das Stadtzentrum. Überall Baustellen – eine Stadt im Aufbruch! Es sieht so aus, als ob Kars in ein paar Jahren eine wirklich schöne Stadt sein wird.

Wir finden in der Fussgängerzone ein Restaurant namens „Pastane“ und denken „…hmm, zum ersten Mal seit Wochen Pasta! Warum nicht?“ und gehen rein. Natürlich gibt es keine Pasta, dafür aber Lammfleisch in Teig gerollt mit einer scharfen Sauce und Yoghurt. Richtig gutes Essen! Ich war begeistert. Wir hatten zudem Pide, die türkische Pizza, bestellt – die war im Gegensatz dazu richtig schlecht. Ansonsten aber ein sehr empfehlenswertes Restaurant. Das war ein langer Tag, und der nächste beginnt auch schon morgens um 6 Uhr…

Hier geht die Reise weiter: Tag 13: Kars – Istanbul

An- & Abreise

  • Von Akhaltsikhe zur über 20 km entfernten Grenze zu kommen ist nicht einfach – es scheint kein Bus zu fahren. Also Taxi oder laufen. Allerdings ist das nahe Grenzgebiet Sperrgebiet und der Weg ist nicht ausgeschildert. Taxi kostet um die 8 Dollar bzw. 15 Lari. Achtung, Grenze
    öffnet erst gegen elf Uhr georgischer Zeit (also 9 Uhr türkischer Zeit)!
  • Wenn überhaupt etwas von der Grenze zur nächsten Kleinstadt Posof fährt, dann wohl sehr selten. Oder ebend gar nicht. Man sollte sich also nach einer Mitfahrgelegenheit umschauen. Zwischen Posof und Kars verkehren bestimmt Busse, doch Posof ist klein und Busse bzw. Sammeltaxis bestimmt selten.
  • Zur Verbindung Kars-Istanbul siehe Tag 13.

Unterkunft

  • Unsere Wahl in Kars fiel auf das Hotel Temel im Stadtzentrum. Etwas schwer zu finden, da der Eingang in einer Seitenstrasse liegt. Das Hotel wird/wurde gerade umgebaut. Sehr, sehr saubere Zimmer mit schönem Badezimmer. Auch sonst ist die Einrichtung sehr schön. Das Hotel ist allerdings vergleichsweise teuer – 35 Mio TL, also rund 22 €, für ein Doppelzimmer inkl. Frühstück. Naja, 11 € pro Person ist noch vertretbar und für dieses Hotel angemessen. Ich würde ja gern etwas über das Frühstück schreiben, doch das beginnt erst um 7 Uhr morgens – unser Zug fuhr jedoch schon kurz nach sieben.
    Adresse: Kazımpasha Cad. No. 4/A. Tel.: (0474)223 1376.

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