Sewansee

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Sevan-See Սևանա լիճ

Tag 7: Jerevan – Sevan-See. Hier geht die Reise weiter: Tag 8: Echmiatsin
Stadt Sewan...Typisches, aus Tuff gebautes Haus
Stadt Sewan…Typisches, aus Tuff gebautes Haus

Endlich mal ausschlafen…das ist doch was im Urlaub. Erst um 9 ging der Tag los. Anait war natürlich auch schon wach und wuselte fröhlich durch die Wohnung und machte Anstalten, unsere Wäsche zu waschen, wofür wir ihr wirklich sehr dankbar waren. Mit der Marshrutka ging es schliesslich raus zum Busbahnhof. Auch heute sah man wieder den Ararat, aber es war wieder zu diesig, um ihn auf ein Photo zu bannen. Schnell fanden wir eine Marshrutka, die nach Sewan fährt. Die fuhr, als sie schliesslich voll besetzt war, rasant los. Wir verliessen die Stadt auf einer Art Autobahn Richtung Norden. Die Landschaft war ähnlich der vom Vortag – endlose Weiten, kaum Anzeichen von Wasser und überall sanfte, grasbewachsene Berge und hier und da ein paar Felsen.

Nach etwa anderthalb Stunden – verhältnismäßig schnell für die 70 Kilometer, hielten wir an einer Kreuzung. Man deutete uns an, hier auszusteigen. Da standen wir nun an der Kreuzung – Wegweiser gab es nicht, nur eine Stadt linkerhand, bei der es sich wahrscheinlich um Sewan handelt. Vom See allerdings keine Spur – wenn man die Berge sah, konnte man sich zwar denken, wo er ist, aber er war eben nicht in Sichtweite und wir hatten keine Karte. Also laufen. Die Luft war angenehm klar und kühl –
kein Wunder, denn die Stadt liegt auf fast 2000 m Höhe. Durch menschenleere Strassen und bröckelnde, wie überall aus rotem Tuff erbaute Wohnviertel. Irgendwann kamen wir in das, was wie ein Zentrum aussah. In der Nähe gab es einen kleinen Markt, auf dem Maschinenersatzteile und allerhand Obst verkauft wurde. Nach einer guten Stunde strammen Fussmarsches waren wir wieder in einem Aussenbezirk – wir hatten die Stadt scheinbar ganz durchquert. Vom See war noch keine Spur in Sicht, also fragten wir an einer ziemlich modernen Tankstelle nach.

Mittelalterliche Kirche am Sewan-See
Mittelalterliche Kirche am Sewan-See

Und siehe da – die Richtung stimmte. Uns fiel ein grosses Flugzeug auf, das etwas seltsam aussah und in geringer Höhe hin und her flog. Am nächsten Tag lasen wir, dass die Russen auf dem See ein neues und wirklich grosses Wasserflugzeug getestet hatten. Bald kamen wir auf eine Art Autobahn. Nochmals fragten wir jemanden, und nachdem wir weiter und weiter liefen, sahen wir endlich den Sewan-See. Unser Ziel war eine Halbinsel (bis vor ein paar Jahrzehnten war das wohlgemerkt eine Insel), auf der sich zwei so alte wie berühmte Kirchen befinden. Am Strand tobte das Leben – das hätte genauso gut die bulgarische Schwarzmeerküste oder die italienische Mittelmeerküste sein können. An einer Strandgaststätte liessen wir uns nieder und bestellten „Schaschliki“. Bis die kamen, verging eine gute Stunde. Und die Masse erschlug uns. Ein Riesenteller gegrillten Fleisches, dazu ein Brotberg und violette Zwiebeln. Vor allem das Brot war ausreichend für sechs Personen. Irgendwann gaben wir auf und wollten zahlen – auch das dauerte wieder eine Ewigkeit. Wer in Georgien und Armenien essen geht, muss oftmals viel Zeit mitbringen.

Als wir fertig waren, war es schon halb vier. Also schnell zu den Kirchen. Die stehen nebeneinander auf einem grasbewachsenen Hügel, zu denen eine Treppe führt. Oben trafen wir ein paar Russen und – eine japanische Reisegruppe. Die hatten wir am Vortag schon im Stadtzentrum gesehen und uns darüber gewundert. Die Gruppe war zudem sehr, sehr laut. Das trübte aber kaum die Freude an dem erhabenen Anblick. Die beiden kleinen Kirchen Arakelots und Astvatsatsin, deren Grundstein wohl im 9. Jhd. gelegt wurde, sind von Flechten überzogen und strahlen eine ehrfürchtige Ruhe aus – als ob sie schon immer dort stünden. Dahinter der Sewan-See mit seiner seltsamen, blauen Färbung sowie die hohen Bergketten im Hintergrund, die den Anblick perfekt machen. Neben den Kirchen findet man zahlreiche Khachkars genannte, alte armenische Steinkreuze. Zynisch gesagt, sollte man sich beeilen, zum Sewan-See zu kommen. In den letzten Jahrzehnten ist die Seeoberfläche aufgrund exzessiver Wasserentnahme um rund 30 Prozent geschrumpft! Fährt man so fort, bleibt bald nicht mehr viel vom Sewan-See übrig.

Der Sewan-See, 1'900 m hoch gelegen.
Der Sewan-See, 1’900 m hoch gelegen.

Unterhalb der Kirche kauften wir zwölf Postkarten und eine kleine Karte von Armenien – das kostete uns fast 10 € – unglaublich. Andere zahlten allerdings auch so viel. Scheinbar sind Postkarten wirklich rar. Da es schon spät war, gingen wir zurück zur Hauptstrasse. An der Hauptstrasse befand sich auch ein Bahnsteig, an dem Hunderte Menschen warteten. Da plötzlich Platzregen einsetzte, rannten wir auch dorthin – und schon kam ein alter, russischer Vorortzug. Wir stiegen mit ein und fanden sogar einen Platz. Wir erkundigten uns, ob der Zug überhaupt nach Jerevan fährt. Er fährt. Und ob man Fahrkarten im Zug kaufen kann. Man kann. Und die Fahrkarte ist spottbillig. In atemberaubenden Tempo raste der Zug durch die Landschaft – bergab waren es bestimmt fast 30 km/h. Alle zehn Minuten kamen bettelnde oder singende oder rezitierende alte Menschen durch den Zug, um ein paar Dram zu bekommen. Nach über zweieinhalb Stunden (für 70 km!) kamen wir in Jerevan an. Wir erwarteten eine Art Bahnhof. Stattdessen deutete man uns an einem provisorischen Bahnsteig mit einem fremden Ortsnamen an, auszusteigen.

Wir liefen ein Stück und sahen, dass wir in Jerevan waren auf einem Hügel nahe des Stadtzentrums. Wir hielten eine Marshrutka Richtung Oper an. Vor einer Kreuzung stoppte die Marshrutka und sprang nicht mehr an. Wir waren die einzigen Fahrgäste, und so wurden wir gebeten, die Marshrutka anzuschieben, was auf der Kreuzung etwas gefährlich war aber doch gut ging. Vor dem Abendbrot gingen wir in ein Internetcafe, die sich auch in Jerevan langsam ausbreiten. Pro Stunde an modernen Rechnern mit schneller Verbindung 600 Dram – ziemlich günstig. Im Gegensatz dazu das Abendessen in einem Parkrestaurant – die Atmosphäre war gut, aber das Essen nicht besonders. Abends diskutierte ich mit Anait über den Krieg in Nagorny Karabakh, die Folgen für das Land und die Zukunft Armeniens…das war hoch interessant. Ich stellte dabei fest, dass der Nationalstolz in Armenien wirklich ungebrochen hoch ist – trotz der grossen Opfer, die der Patriotismus im Krieg mit Aserbaidschan den Armeniern abverlangte.

Hier geht die Reise weiter: Tag 8: Jerevan & Echmiatsin

An- & Abreise

  • Von Jerevan aus kann man mit Bus, Bahn und Marshrutka fahren. Marshrutkas kosten 1200 Dram (2.4 €) pro Person, der Zug hingegen 250 Dram (0.5 €). Der Zug ist extrem langsam aber relativ bequem. Und – von dort bis zu den berühmten Kirchen ist es nicht weit. Man sollte sichergehen, nicht in der Stadt Sewan zu landen – dort gibt es rein gar nichts zu sehen, und bis zu den Kirchen ist es ein öder, langer Fussmarsch.

Unterkunft

  • Nahe des Sewan-Sees gibt es auch Hotels – darunter eine abgesperrte Luxusanlage, die bald fertig gestellt zu sein scheint. Allerdings kann man die Region auch bequem von Jerevan aus in Tagestouren erkunden. Übernachtung in Jerevan siehe Vortag.

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