Akhaltsikhe ახალციხე
Am Vorabend bestätigten uns die anderen Reisenden, dass der Kasbek nur am frühen Morgen zu sehen ist. Da wir sowieso einen weiten Weg vor uns haben und ich unbedingt den Kasbek sehen möchte, stehen wir um sieben Uhr auf. So auch fast alle anderen. Während ich darauf warte, ins Bad gehen zu können, öffne ich die Hintertür, und siehe da – der Kasbek leuchtet mir entgegen (siehe Photo links). Den kann man auch besteigen, aber dazu braucht man einen Führer. Und das ganze kostet über 100 €. Da man auf dem Weg zum Gipfel wohl auch kurz russisches Territorium durchquert, steht in ziemlich grosser Höhe angeblich ein russischer Offizier, der die Hand aufhält.
Im Bad stehen zwei grosse Kübel mit Wasser, die für die Leute auch gerade so reichen. Danach frühstücken wir unten. Vano begrüsst uns und drückt mir zwei beidseitig beschriebene Blätter in die Hand. Als wir uns am Vorabend viel über Sprachen unterhielten, hatte ich ihm das koreanische Schriftsystem erklärt, denn wenigstens dass kannte er noch nicht. Wahrscheinlich schreibt er das jetzt fliessend…Im Gegenzug hatte er doch tatsächlich abends noch vier Seiten voll mit den Grundlagen der Grammatik und Schrift der Farsi-Sprache (Persisch) vollgeschrieben – in rot und schwarz, leicht verständlich dargestellt. Einfach unglaublich.
Da angeblich um 9 eine Marshrutka nach Tbilisi fährt, gehen wir zur Bushaltestelle. Vano winkt uns noch lange hinterher. Nette Menschen wie er und seine Familie sind unbezahlbar… Einige andere machen sich auf dem Weg zum Gletscher, der zu Fuss wohl ca. drei Stunden entfernt liegt. Leider haben wir dafür nicht das entsprechende Schuhwerk. Und da wir in sechs Tagen von Istanbul zurückfliegen, auch nicht die Zeit, was am ärgerlichsten ist. Während wir auf die Marshrutka warten, geniessen wir den Anblick des Kasbek, der noch in rotes Morgenlicht getaucht ist. Wir können den Berg auch länger als geplant bewundern, da keine Marshrutka kommt. Ein alter, dubios aussehender Mann bietet uns an, uns mit seinem Lada nach Tbilisi zu fahren. Zu zweit für 40 Lari. Mit der Marshrutka wären es 16, und obwohl der Preis gerechtfertigt ist, lehne ich erstmal ab. Wir unterhalten uns noch ein bisschen, und er sagt, er führe uns für zehn Lari pro Person, wenn sich noch zwei andere finden. Und tatsächlich – eine ältere Frau und eine jüngere, nebst Kind, finden sich. Wir quetschen uns in den Wagen – aber es ist trotz der Enge immer noch besser als im Bus.
Leider findet das Kind die schaukelige Fahrt nicht so witzig und übergibt sich nahezu pausenlos – nur kurz unterbrochen von Heul- und Schreikrämpfen. Während ich ständig sehe, wie sich das Kind übergibt, überlege ich mir, ob mir jetzt auch schlecht werden soll. Tut es aber Gott sei dank nicht. Unterwegs halten wir wegen des Kindes drei Mal an – einmal auch an dem schönen Stausee – wofür ich ziemlich dankbar bin. Daran, dass das Kind sich permanent übergibt, habe ich mich ja gewöhnt, aber das Geschrei und Gequengele zwischendurch zermürbt langsam. Ich nahm an, dass die Fahrt mit dem Lada schneller wäre als mit der Marshrutka, aber in Wirklichkeit, dauerte es sogar länger. Gegen halb zwei kommen wir am Busbahnhof Didube in Tbilisi an. Wir bezahlen den Fahrer und suchen ein Restaurant. In einer Speisehalle bestellen wir Kotlett (was eher wie ein Hamburger war), eine Art Stew und zwei Flaschen Limonade, die wir schon oft hier gesehen haben. Aber die Limonade ist unerträglich süss und schmeckt sehr eigenartig – nicht zu empfehlen. Alles zusammen, inklusive Kaffee, zahlen wir zu zweit gerade mal 6 Lari.
Daneben gibt es eine Toilette, in der man pro Person 20 Tetri bezahlen muss. Wir wollen der hyperaktiven Frau dort also 40 Tetri geben, aber sie lehnt das Geld ab und sagt, dass es in Georgien Tradition ist, dass Gäste als solche behandelt werden und deshalb nichts zu zahlen hätten. Welch Kontrast zu den vielen Bettlern! Die Frau verdient mit ihrer Toilette mit Sicherheit auch kaum genug zum Überleben, und trotzdem lehnt sie das Geld ab. Wir können auch nichts dagegen machen, obwohl ich ihr das Geld gerne gegeben hätte.
Wir wollen weiter nach Akhaltsikhe nahe der türkischen Grenze. Und finden schnell eine Marshrutka, aber bis zur Abfahrt um drei Uhr haben wir noch viel Zeit, und schlendern so über den Markt. Die Marshrutka selbst ist ein ziemlich neuer Ford-Transporter, mit deutscher Firmenaufschrift. Wie der wohl hierher kam…Jedenfalls freute sich der Fahrer, als er merkte, dass ich und sein Bus aus dem gleichen Land kommen. Daumen hoch! Und mit Karacho geht es los – er holt alles aus dem Motor. Noch in der Stadt winken uns Polizisten aus dem Verkehr. Der Beifahrer rennt zu den Polizisten und drückt denen einfach Geld in die Hand! Keine Diskussion, nichts – einfach Geld geben und das wars.
In anderen Ländern fragt man wenigstens, wofür man jemanden bestechen muss. Im Bus lese ich die „Georgian Times“, eine englischsprachige Wochenzeitschrift. Auf der Titelseite der Vermerk „Wenn Sie die Georgian Times kaufen, unterstützen Sie die freie Presse von Georgien“. Von wegen! Regierungstreuer geht es nicht – „Wie auch unser Präsident Schewardnadse sagt…“ und ähnliche Sätze sind typisch.
Das Lesen im Bus ist aber nicht sehr einfach. Die Strasse im Tal, durch Kaspi und Gori, ist erstaunlich gut, aber nur einspurig, was den Fahrer zu waghalsigen Manövern verleitet. Er fährt wie der letzte Henker. Irgendwann biegen wir wieder ab in die Berge, quer durch Borjomi, einem Kurort, in dem auch wirklich gutes Mineralwasser produziert wird. Und statt in vier Stunden, wie im Reiseführer angegeben, sind wir in nur guten drei Stunden in Akhaltsikhe, unserm Zielort. Kurz vor Akhaltsikhe gerieten wir in einen heftigen Regenschauer, aber der schien kurz vorher in unserem Zielort aufgehört zu haben. Im Bus gab es vorher eine Streiterei – ein unterwegs zugestiegener Mann soll zwei Lari bezahlen, will aber nur einen bezahlen. Das artet nach Ankunft schliesslich in einer Prügelei aus.
Nahe des Busbahnhofs gibt es eine Festungsruine, aber ansonsten gibt es scheinbar nicht viel zu sehen im ländlichen Akhaltsikhe. Auf dem Weg zu einem Hotel treffen wir eine beleibte Amerikanerin, die sich riesig freut, uns zu sehen. Als sie sagt, sie lebe hier, bin ich überrascht. Sie arbeite für das Peace Corps und unterrichte deshalb hier Englisch. Leute vom Peace Corps hatten wir auch schon zuvor in Kazbegi getroffen. Dank ihrer Erklärung finden wir schnell ein billiges Hotel, das gross und alt ist, aber innen sehr sauber. Die Zimmer sind schlicht aber in Ordnung –
nur gibt es keine Dusche. Im Hinterhof gibt es extra ein nagelneues, sehr schönes Bad. Der „Bademeister“
legt Kohlen auf, und eine halbe Stunde später können wir ausgiebig duschen – mit heissem Wasser! Zum ersten Mal seit zehn Tagen heisses Wasser! Dann, die Sonne geht schon fast unter, erkunden wir die Stadt.
In einer abgelegenen Strasse entdecken wir schöne, alte Holzhäuser (siehe Photo). Wir wollen zu einer Kirche auf einem Hügel. Auf dem Weg dorthin hält ein Auto an mit vier jungen Männern, die uns fragen, wo wir hingehen. Wir sagen „zur Kirche“, und sie sagen, sie zeigen uns die Kirche und warten deshalb dort auf uns. Da die Gegend aber ziemlich verlassen ist, machen wir uns besser schleunigst auf den Rückweg. Wir essen in einer komischen Bar, in der wir die einzigen Gäste sind. Es gibt zwar das gleiche wie immer, aber dafür schmeckt es gut und ist sehr, sehr billig. Als wir wieder auf die Strasse gehen, verfolgt uns ein betrunkener Mann, der sehr aggressiv auf uns zukommt und rumkrakeelt. Wir flüchten deshalb schnell in eine andere Bar und bleiben dort sicherheitshalber ein bisschen – Akhaltsikhe scheint kein Ort zu sein, in dem man abends frei herumlaufen sollte. Auch so schauten uns alle sehr seltsam an – wohl mangels Touristen.
Hier geht die Reise weiter: Tag 12: Kars
An- & Abreise
- Von Kazbegi kann man auch mit Privatpersonen nach Tbilisi fahren. Diese fragen oft Reisende an der Bushaltestelle. Das Auto kostet dann 40 Lari – also pro Person kostet die Fahrt dann je nach Anzahl der Personen. Sie fahren direkt zum Busbahnhof Didube. Zur Fahrt mit der Marshrutka siehe Vortag.
- Busse nach Akhaltsikhe fahren von Didube, eine Marshrutka kostet sieben Lari pro Person, Fahrtzeit um die sieben Stunden.
- Ein Grenzübergang zur Türkei ist nicht weit – mehr Infos dazu siehe den nächsten Tag.
Unterkunft
- Das Meskheti-Hotel scheint die einzige Option zu sein. Liegt mitten im Zentrum des geringen Geschehens, rundherum gibt es zahlreiche kleine Restaurants und Bars. Das Doppelzimmer kostet 15 Lari, warme Dusche im Hinterhof kostet extra – zwei Lari pro Person. Ein ziemlich sauberer, bequemer Ort. Adresse: Kostavas Kucha, Tel.: 20420. Zu Fuss vom Bahnhof und den davor liegenden Bushaltestellen dauert es gute zehn Minuten.