Tbilisi თბილისი
Da wir uns am Vorabend noch reichlich lange mit Anait unterhalten hatten, war vor um 9 nicht ans Aufstehen zu denken. Man ist ja schliesslich auch nicht auf der Flucht. Heute wollten wir zurück nach Tbilisi fahren, aber bevor wir solcherlei Anstalten machten, schauten wir uns erst noch gemächlich die ganzen Bilder in der Wohnung an. Genauer gesagt drängte uns Anait dazu. Aber sie waren auch wirklich sehenswert. Gegen zehn Uhr machten wir uns dann auf den Weg und tauschten erstmal unsere übrig gebliebenen armenischen Dram um. Und zwar in Dollar, wobei die armenische Währung wirklich so stabil zu sein scheint, dass man dabei kaum etwas verliert. Beim Geld abheben drei Tage zuvor hatten wir uns wohl doch leicht verschätzt beziehungsweise nicht damit gerechnet, die Übernachtung wieder in Dollar zu bezahlen. Drei sehr aktive Tage in Armenien, einschliesslich der Übernachtung und der Rückfahrt nach Tbilisi kosteten uns pro Person weniger als 100 €.
Das war etwas mehr als gedacht, aber noch in Ordnung. Vom Zentrum fuhren wir zum x-ten Male zum Busbahnhof, wo man uns natürlich sofort wieder sagte, dass es nach Tbilisi ausser einem Taxi keine Fahrgelegenheit mehr gibt. Und wie immer glaubten wir das sofort. Schnell fanden wir eine Marshrutka, allerdings fuhr die erst um 11 Uhr los, so dass noch etwas Zeit übrig blieb, in der wir das verbliebene Kleingeld verpulvern konnten. Die Züge und Linienbusse der Region kannten wir nun schon, so dass wir uns dieses Mal auf eine beschaulichere Fahrt mit dem Kleinbus freuten. Der fuhr auch nahezu pünktlich und mit vielversprechendem Tempo los – obwohl noch vier Plätze frei waren – das war schon verwunderlich. Den ersten Teil, entlang des Mt. Aragats durch grasbewachsenes Hochland, kannten wir schon, aber an der Weite der Landschaft und des Himmels und den satten Farben kann man sich einfach nicht sattsehen. Es ging auch richtig zügig voran – nur selten gebremst von Rinderherden, die hier und da die Strasse kreuzten.
Wieder fuhren wir über den schönen Pass, vorbei an den grasbewachsenen Bergen, an deren Hängen hin und wieder violette Blütenteppiche auffielen. Und wir durchfuhren wieder die vom Erdbeben so arg getroffene Stadt Spitak. Dieses Mal fiel uns eine neu gebaute, scheinbar komplett metallene Kirche auf – umgeben von einem grossen Friedhof. Wenig später verliessen wir aber die Route, auf der wir nach Armenien gekommen waren. Der Bus nahm Kurs Richtung Vanadzor. Es ging in ein Tal hinein, in dem es neben einem rauschenden Fluss auch eine Eisenbahnstrecke gab – die von Jerevan nach Tbilisi. Das enge Tal war schön – es gibt viele Felsen und – das sahen wir zum ersten mal in Armenien – etwas, was man als kleine Wälder bezeichnen konnte. Natur pur – nur hier und da ein kleines Dörfchen. Eine Landschaft, wie man sie bisweilen auch hier finden kann.
Nach längerer Fahrt – es war wohl gegen 3 Uhr nachmittags – hielten wir in einer Kurve gleich neben dem Flüsschen. Dort gab es ein schattiges Plätzchen und zwei kleine Gebäude; dazwischen war ein Grill aufgebaut, auf dem man die allgegenwärtigen Schaschliki brutzelte. Mittagspause also. Wir hatten zwar so gut wie gar keine Dram mehr übrig – die reichten gerade noch für einen Kaffee – aber da wir Verpflegung dabei hatten, war das kein Thema. Dafür konnten wir kurz die schöne Landschaft geniessen. Und die dortige Toilette: Zwei Eisenbahnschienen, die bis über das Ufer ragten, darauf montiert eine in zwei Kabinchen unterteilte Holzhütte. Auf der einen Tür stand dementsprechend „M“ für „Muschina“ (Männer), auf der anderen das kyrillische „Sch“ für „Schenschina“ (Frauen). In der Kabine selbst gab es ein scheinbar mit der Axt geschlagenes Loch; darunter rauschte der Fluss. Toilette mit fliessend Wasser – auch wenn das Wasser weit unterhalb floss. Erinnerte irgendwie an die „Toilette“ an Bord der Mekongfrachter in Laos. So schön die Natur in Georgien und Armenien auch sein mag – so man nicht direkt vor der Quelle steht, ist das Trinken von Gebirgswasser wahrhaftig nicht empfehlenswert.
Nach fast einer Stunde ging es weiter. Das Tal wurde etwas breiter, so dass ab und an auch Platz für die eine oder andere Kleinstadt war. Am Talausgang schliesslich kam der Grenzübergang. Im Bus sass eine Frau, die allein ihrem Erscheinungsbild nach im Mittelalter als Hexe gebrandmarkt worden wäre. Allein die schwarze Katze fehlte. Eine andere Frau vor uns warnte uns an der Grenze und empfahl uns, vor der Grenzkontrolle unser Gepäck zu untersuchen, da jene Frau eine „schlechte Frau“ sei und wohl auch während der Pause an unseren Sachen war. So inspizierten wir unser Gepäck oberflächlich, aber auf den ersten Blick und auch später nach dem zweiten Blick konnten wir nichts finden, was darauf schliessen liess, dass jemand an unserem Gepäck war. Die Grenzlinie ist direkt auf einer Brücke. Weder die Ausreise aus Armenien noch die erneute Einreise nach Georgien war ein Problem – wir mussten nicht einmal aussteigen oder unser Gepäck zeigen.
So hatten wir die Grenze in kurzer Zeit überquert – wenn auch etwas wehleidig, denn wir wären gern noch etwas länger geblieben. Bisher war die Fahrt richtig angenehm – es war zwar auch hier eng, aber es ging zügig voran. Und nach nur vier Stunden hatten wir bereits die Grenze überquert. Doch nun begann der Alptraum – ein sich endlos hinziehender, sporadisch mit Asphalt übergossener Feldweg mit Schlaglöchern bisher nie gesehener Grösse. Es hätte mich ganz und gar nicht gewundert, wenn aus einem der Schlaglöcher Lava geflossen wäre. Auf einen Kilometer Weglänge legte jedes Auto mindestens zwei zurück, da alle im Zickzack fuhren. Nicht, um den Schlaglöchern auszuweichen, sondern um den tiefsten Löchern auszuweichen. An Lesen oder gar Essen und Trinken war gar nicht zu denken. Auch zahlreiche Trucks quälten sich über diese Strasse. Wir kamen in einen grösseren Ort, und ich hoffte, dass es von dort eine richtige Strasse gäbe, aber dem war nicht so. Fast zwei Stunden fuhr dieses Rodeo fort. Dann kamen wir endlich auf eine Strasse, und von dort ging es wieder zügig weiter Richtung Tbilisi. Dort kamen wir auch kurz vor 18 Uhr, also nach weniger als 7 Stunden, gut geschüttelt und nicht gerührt, an. Mit einer Marshrutka ging es schliesslich wieder zu der uns schon vertrauten Unterkunft bei Nasi. Dieses Mal bekamen wir das Fernsehzimmer. Nasi freute sich, dass wir wieder da waren, und empfing uns herzlich.
Des Abends machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant in der Nähe. Zwar gab es ein McDonalds und ein luxuriöses Restaurant gleich an der Metrostation Marjanashvilis, aber glücklicherweise fanden wir in einem Keller ein kleines, neues Restaurant. Das war so neu, dass die Bedienung regelrecht erschrak, als wir hereinkamen. Es gab keinen grossen Raum, sondern zahlreiche, durch helle Holzwände voneinander getrennte Abteile, die eher an ein Dampfbad erinnerten. Natürlich gab es kein Menü, und die Bedienung sprach auch kaum Russisch. Sie zählte demzufolge nur Speisen auf, deren Namen sie auch auf Russisch kannte. Dazu zählten die altbekannten Pelmeni und das typisch georgische
. Mangels Alternativen bestellten wir diese beiden Sachen. Sie fragte nach, wieviel Pelmeni wir wollten, was etwas ungewöhnlich war, da diese Teigtaschen eigentlich so klein sind, dass man nicht mit Stück, sondern eher mit Tellern rechnet. Ich ging von der normalen Grösse aus und sagte zwanzig. Sie schaute verdutzt und deutete an, dass das sehr viel sei.
Ich fragte daraufhin, wie gross diese denn hier seien, und sie zeigte mit Daumen und Zeigefinger eine recht normale Grösse. Und statt des Fleisches seien diese hier mit Käse gefüllt. Ich ging runter auf fünfzehn. Und fiel fast vom Stuhl, als sie kamen – gigantische Teigtaschen, die einzeln so lang waren wie die Besteckmesser. Da hatte wohl jemand leicht untertrieben. Und davon üblerweise ganze 15 Stück. Das Khachapuri sah auch völlig anders aus – wie eine grosse Käsepizza. Der salzige Käse auf dem Khachapuri und der in den Pelmeni war auch noch der gleiche, so dass wir ganz schnell genug hatten von dem Essen. Wir waren froh und elendig satt als wir auch nur die Hälfte der ganzen Portion gegessen hatten. Da tat ein Verdauungswodka gut, aber den gab es nur als ganze Flasche. Sie schlug stattdessen irgendwelche anderen Sachen vor, aber ich lehnte ab, was sie irgendwie zu kränken schien. Pappesatt schleppten wir uns zur Unterkunft zurück und unterhielten uns dort noch angeregt mit diversen ungarischen, israelischen, englischen und japanischen Rucksacktouristen, bis Nasi uns zu vorgerückter Stunden schlichtweg den Strom abdrehte.
An- & Abreise
- Marshrutkas von Jerevan zum Busbahnhof Ortochala in Tbilisi fahren regelmässig und kosten ca. 6500 Dram
(13 €) pro Person. Sie brauchen keine sieben Stunden und sind somit bedeutend schneller als der Zug oder normale Busse.
Unterkunft
- Bei Nasi. Nähere Informationen, Anschrift, Wegbeschreibung und Preis siehe Tag 5.