Versuch zwei, den Topkapı-Palast (hier Topkapi geschrieben, eigentlich ist jedoch das „i“ eins ohne Punkt; siehe Kapitel Sprache unter Türkei) zu besuchen – beim ersten Anlauf war die Schlange am Schalter so lang, dass man hätte übernachten müssen, um reinzukommen. Dieses Mal hatten wir mehr Glück – zwar waren natürlich auch an diesem Tag viele Touristen da, aber man musste nicht ewig anstehen. Eintritt in den Palast kostet sagenhafte 10 €, Eintritt in den Harem und die Schatzkammer nicht inbegriffen, denn die kosten extra nochmal jeweils 10 €. Will heissen, alles zusammen kostet mal eben 30 € – das liegt also mittlerweilen in der gleichen Kategorie wie Petra in Jordanien – im Vergleich zu 1995, als alles zusammen gerade mal 5 € kostete. Wahrscheinlich kam man wegen der Inflation mit der Umrechnung nicht hinterher. Studenten zahlen allerdings nur 30%. Nun hatte ich nur eine deutsche Studienbescheinigung und einen abgelaufenen internationalen Studentenausweis, aber das wurde akzeptiert.
Der Topkapı Sarayı genannte Palast sollte wohl besser als Stadt in der Stadt bezeichnet werden – mit 70 ha ist die Anlage wesentlich grösser als der Vatikan. Der Palast wurde seit dem 15. Jhd nach und nach vergrössert und diente den Sultanen des Osmanischen Reiches als Residenz – davor beherrschten sie das Riesenreich vom nahen Edirne (Adrianopel) aus.
Wie zum Beispiel auch die Verbotene Stadt in Peking besteht der Topkapı aus verschiedenen Bereichen. Es handelt sich dabei um vier Höfe – der erste war frei zugänglich, der vierte nur für den Sultan bestimmt. Die Sultane wussten zu leben – das bezieht sich nicht nur auf den palastinternen Harem, sondern auch auf die grandiose Aussicht auf das Meer und die gesamte Stadt sowie auf die schöne Anordnung von Residenzen, Pavillons und kleinen Gärten.
Heute ist der gesamte Palast für die Öffentlichkeit zugänglich. Sollte er zumindest. Am Eingang findet man eine grosse Tafel, auf der man lesen kann, welche Bereiche momentan nicht geöffnet sind – und das sind eine ganze Menge.
Aber es bleibt genug zu sehen – insgesamt gibt es wohl um die 100’000 Ausstellungsstücke. In verschiedenen Ausstellungen werden Kleidung, Waffen, Porzellan, Schmuck, Alltagsgegenstände usw. usf. gezeigt. Eine Ausstellung widmet sich islamischen Reliquien. Weltweit die einzige Möglichkeit für Nicht-Moslems, solche für den Islam so heiligen Dinge zu betrachten. Dazu zählen unter anderem Bogen, Schwert und Mantel des Propheten. In einer Kabine sitzt ein Imam und liest laut aus dem Koran. Es wird in diesen heiligen Räumen um Ruhe gebeten – nur unterbrochen von einem laut ins Handy brüllenden Türken und dort von einem anderen Türken, der seine Frau vor allen anderen Besuchern lautstark zur Sau…äh…Schnecke machte.
Die Schatzkammer zeigt Diamanten und Gold und vieles andere, bis die Augen schmerzen. Darunter zum Beispiel der sogenannte Löffler-Diamant. Ein 86-Karäter, wie in jeder zu Hause hat, welcher einer Überlieferung zufolge vom Finder für ganze drei Löffel eingetauscht wurde (deshalb der Name). Die Löffel sind leider nicht ausgestellt.
Auch nur eine grobe Übersicht dessen, was man im Topkapı so findet, würde diese Seiten sprengen. Mein persönlicher Favorit jedenfalls waren die Pavillons im vierten, hintersten Hof: Kleine, gemütliche Häuschen wie der Bagdad-Pavillon oder der Revan-Kiosk (wird wirklich so genannt) sind wahre Juwelen und in dieser Form wohl nur hier zu finden (siehe Photo). Ich habe versucht, eine offizielle oder wenigstens interessante private Homepage zum Topkapı zu finden – leider ohne Erfolg. Deshalb kann ich leider mit keinem Link dienen…
Nach mehreren Stunden im Palast treibt einen der Hunger doch wieder auf die Strasse. Und – welch Frevel – vorbei ging es an den türkischen Restaurants zum „Hatay Xinglong“ – einem chinesischen Restaurant, das mir mein japanischer Reiseführer ans Herz legte…Nach so viel türkischen Essen tut das mal gut. Das Restaurant befindet sich gleich in der Nähe des Palastes (Adresse: Ibni Kemal Cad. No 9). Und ich kann es nur jedem empfehlen – echtes (!) chinesisches Essen und nicht mal teuer. Fast wie in China…
Unweit des Palastes befindet sich der Yerebatan Sarnıcı – der „unterirdische Palast“. Eigentlich kein Palast, sondern ein unterirdischer Wasserspeicher der Römer. Er beherbergte 336 acht Meter hohe korinthische Säulen – 90 der Säulen existieren jedoch nicht mehr. Es ist relativ dunkel darin, und über das Wasser führen Stege. Die Dunkelheit, das Wasser und die parallelen Säulengänge schaffen eine sehr interessante Atmosphäre! Zwei der Säulen stehen auf grossen Medusenköpfen – einer liegt quer, der andere ist verkehrtherum (siehe Photo). Warum? Das weiss wohl keiner so recht. Weiter westlich findet man auch ein ziemlich grosses Überbleibsel des einstigen Aquäducts, welcher den Wasserspeicher speiste.
Abends unterhalten wir uns mit einem der jungen Hotelmitarbeiter. Wir sprachen schon vorher mit ihm – ein aufgeschlossener, intelligenter Mann. Doch dann kommt er auf die Juden zu sprechen – und wartete mit schier unglaublichen Theorien auf. Dass die reichen Juden die armen Juden loswerden wollten und deshalb den Holocaust initiierten. Und seitdem planen, Amerika zu übernehmen. „Versteh mich nicht falsch, ein Spieler meiner Lieblingsfussballmannschaft ist auch Jude und trotzdem mag ich ihn“ sagt er noch… Aber wie kann ein so intelligenter Mensch wie er so etwas glauben? Dieser latente Antisemitismus selbst hier in der Türkei schockierte mich doch ziemlich. Auch an den Kurden liess er wenig Gutes…Ein unschöner Eindruck.
Hier geht die Reise weiter: Tag 16: Istanbul & Bosporus
An- & Abreise
- Zum Verkehr innerhalb Istanbuls siehe Tag 1.
Unterkunft
- Im Cem-Hotel. Ausführliche Infos dazu siehe unter Tag 1.