Allgemeines
Name
Брэст (Brest). Dies ist die weissrussische Schreibweise – man wird allerdings eher auf die russische Schreibweise treffen: Брест (die Lesung ist gleich). Ganz früher hiess der Ort ursprünglich Bereste. Im Slawischen bedeutet ‚Berest‘ ‚Ulme‘, aber ob das etwas miteinander zu tun hat… Ein älterer, kaum noch benutzter Name lautet Берасьце (Bjeras’ze). Brest war lange Zeit polnisch. Der polnische Name lautete Brześć. Im deutschen Raum war die Stadt lange Zeit unter dem Namen Brest-Litowsk (bzw. Litovsk) bekannt (Litauisch-Brest, siehe Geschichte). Wohl um Verwechslungen mit dem Brest in der Bretagne zu vermeiden.
Lage
Brest ist die westlichste Stadt der Belarus (Weißrussland), liegt direkt an der polnischen Grenze und ist somit ein sehr wichtiger Grenzbahnhof auf der Strecke von Berlin nach Moskau. Bis nach Minsk im Nordosten sind es rund 350 km, bis nach Warszawa im Westen nur rund 220 km. Bei Brest bildet der Fluss Bug (genauer gesagt der Westliche Bug) die Grenze zu Polen. Von Osten kommt der eher kurze Fluss Muchavets, welcher die Stadt im Süden begrenzt und in den Bug mündet. Nichts spektakuläres, wäre da nicht der Bug-Dnepr-Kanal (Dnjeprovsko-Bugskii Kanal), welcher das fehlende schiffbare Stück zwischen Schwarzem Meer und der Ostsee darstellt.
Die beiden Flüsse bilden in ihrem Gebiet kleine Sümpfe, und ein paar wenige Inseln direkt im Mündungsbereich. Das ist geradezu ideal für den Bau einer Stadt respektive Festung.
Einwohner
2004 hatte die Stadt knapp 290.000 Einwohner. Damit ist sie die sechstgrösste Stadt der Belarus und gleichzeitig des Woblast‘ Brest – eine der sechs weissrussischen Provinzen.
Stadtbild
Die Stadt hebt sich etwas von den anderen Städten der Belarus ab, obwohl man aufgrund des Krieges auch hier alte Gebäude – abgesehen von der Festung – missen wird. Der Grossteil der Stadt erstreckt sich zwischen der Bahnlinie Moskau-Berlin im Norden und dem kleinen Fluss Muchavets im Süden, wobei das Stadtzentrum mehr oder weniger genau im Schachbrettmuster angelegt wurde. Die lange Bahntrasse wird von einer Fussgänger- und einer Strassenbrücke überspannt.Die von der Brücke kerzengerade bis zum Fluss führende Strasse ist die wulitsa Lenina. Auf halbem Wege liegt der ploshcha Lenina (Leninplatz) mit dem Lenindenkmal, dem Haus des Sowjets und einer Kirche (siehe Photo rechts). Strassennamen wurden kaum geändert – die Strasse der Komsomolzen, die Sowjetische Str., die Marx-, Engels-, Ordschonikidse-, Kirow- usw. Strasse gibt es noch immer. Die vul. Savetskaya, drei Blöcke östlich der Leninstrasse, ist die Hauptgeschäftsstrasse.
Das Zentrum ist übersichtlich und schnell zu erlaufen. Die Festung (siehe unten) hingegen ist etwa 2 km entfernt und liegt im Westen der Stadt und ist mit selbiger durch die vul. Mascherawa (vormals Moskovskaja) verbunden.
Geschichte
Brest ist eine für weissrussische Verhältnisse ziemlich alte Stadt – sie wurde bereits im Jahre 1019 als Bereste erwähnt. Allerdings bestand die Siedlung damals nur aus einem Haufen Blockhütten. Das sollte sich vorerst auch nicht ändern – Brest gehörte nicht zu den wichtigsten Orten Osteuropas. Dafür sorgten Tataren, Slawen, Polen und Litauer, die abwechselnd über die Stadt herfielen.
Ab 1569 blieb Brest unter litauischer Herrschaft. 1596 wurde die Union von Brest besiegelt – orthodoxe Christen unterwarfen sich hier dem Papst und schlugen so eine Brücke zum katholischen Polen. Im 17. Jhd. fielen die Russen und dann sogar noch die Schweden in Brest ein, doch die Stadt blieb vorerst bis 1795 (also bis zur III. polnischen Teilung) unter litauischer Kontrolle.
Dann kamen die Russen und erklärten die Stadt zur Festung. Bis 1918 blieb Brest russisch – in diesem Jahr erkauften sich Lenin und Genossen etwas Zeit, um die Revolution zu retten, indem sie hier den Frieden von Brest-Litowsk abschlossen. Genauer gesagt wurde dieser Raubfrieden zwischen Deutschland, Russland und der Ukraine abgeschlossen, infolge dessen Deutschland weite Teile des Baltikums und auch der Ukraine zugesprochen wurden.
Viel hatte Deutschland nicht davon, denn man verlor ja bekanntlich im selben Jahr den Krieg. Die Westhälfte der Belarus wurde nun von Polen regiert – bis 1939, als die Deutschen wieder mit einem kleinen Expeditionschor am Westufer des Bug standen und die Russen gleichzeitig die Belarus unter ihren Fittichen vereinten.
Zwei Jahre später überschritt die Wehrmacht den Fluss und legte binnen Stunden die ganze Stadt in Schutt und Asche. Die ganze Stadt? Nein! Eine kleine Festung leistete erbitterten Widerstand. Mehr dazu siehe unten. 1944 wurde Brest befreit sowie alsbald wieder aufgebaut. Aufgrund der heldenhaften Verteidigung wurde Brest zu einer der insgesamt 13 Heldenstädte der Sowjetunion ernannt (für das Protokoll: Die anderen sind Kiew, Odessa, Smolensk, Wolgograd, Novorossijsk, Kertsch, Sewastopol, Moskau, Minsk, Tula, Murmansk und St. Petersburg). Heute ist die Stadt eine lebhafte Grenzstadt, was sich durch den EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 nicht geändert hat.
Anreise
Von Brüssel bis Irkutsk, von St. Petersburg bis Wien – nur wenige Städte Europas haben so eine exzellente Bahnanbindung, da jeder Zug der Berlin-Moskau-Linie hier hält. Alle Züge, die die Grenze überqueren, halten für zwei bis drei Stunden in Brest, da hier vom europäischen auf den russischen Radstand umgestellt wird (Stalin hatte Angst, dass Russland von fremden Mächten mit der Bahn überfallen wird). Tipp eines erfahrenen Reisenden: Es lohnt sich nicht, in der Zeit auszusteigen – der Bahnhof ist voll, chaotisch und unübersichtlich. Die Zeit ist zudem zu kurz, etwas von der Stadt zu sehen.
Zu den einzelnen Auslandsverbindungen von Brest und Minsk siehe Reisetipps Belarus. Von Brest gibt es keine Zugverbindung mehr nach Hrodna im Norden – es bleibt nur der Bus. Nach Minsk kann man mit einem der internationalen Züge gen Moskau fahren. Das dauert gute vier Stunden und dürfte einen Aufschlag kosten. Man kann auch mit der Elektritschka fahren – eine Art grosse S-Bahn. Mit der dauert es allerdings rund 7 Stunden, kostet jedoch nur 4 Euro. Wer mit einem der Nachtzüge aus Russland weiter nach Berlin fahren möchte, bezahlt 70 Euro pro Person. Der Zug nach Warschau kostet 13 Euro (4 Stunden), plus 11 Euro Zuschlag wenn es ein Nachtzug ist (sind die meisten).
Der Bahnhof ist in Nord- und Südteil untergliedert, in der Mitte befindet sich das lange Bahnhofsgebäude. Vom Nordteil fahren die Züge gen Westen ab. Bevor man auf den Bahnsteig kommt, muss man Zoll- und Ausreise passieren. Das kann eine gute Stunde dauern, deshalb rechtzeitig erscheinen! Fahrkarten für internationale Züge wollten wir am Vortag kaufen – man schickte uns jedoch weg und sagte „Entweder ab 21 Uhr oder erst vor der Abfahrt“. Ach ja, im Bahnhof gibt es Wechselstuben, eine Gepäckaufbewahrung usw. Gerade Ausländer werden oft von älteren Damen bestürmt – man wird gebeten, Zigaretten nach Polen zu schmuggeln.
Sehenswertes
Wer kommt nach Brest? (Nun gut, wer kommt nach Belarus!?) Die Stadt selbst hat nicht viel zu bieten, obwohl sie vom Flair her bereits wesentlich angenehmer ist als Minsk. Im Zentrum stehen orthodoxe Kirchen neben polnisch angehauchten Bauten aus dem 20. Jhd. Insgesamt gibt es drei Kirchen im Zentrum sowie viel Grün. Der Hauptgrund für einen Besuch ist die Брестская Крепость (Brestskaya Krepost‘, so der russische Name) – die Festung von Brest.
Diese nimmt das gesamte Gebiet am Zusammenfluss von Bug und Muchavets ein, wobei jedoch die äusseren Verteidigungsanlagen weit auseinanderliegen und kaum noch erkennbar sind. Herzstück ist eine kleine Insel im Fluss – durch den Rest der Anlage nur durch drei kleine Brücken verbunden. Gebaut wurde sie von 1838 bis 1842. Um die Festung bauen zu können, musste die ganze Stadt, ursprünglich auf der schützenden Insel gelegen, zwei Kilometer nach Osten verlegt werden. Will heissen alles im heutigen Brest ist nach dieser Zeit erbaut worden. Die Festung spielte zum ersten Mal im Ersten Weltkrieg eine Rolle. Mehr dazu siehe unten.
Was ist nun so besonders an der Festung!? Festungen wie diese gibt es einige in Europa, und viele davon sind weniger ‚kaputt‘ als die von Brest. Am 22. Juni 1941 überraschte Hitler die Sowjetunion mit dem Bruch des Nichtangriffspaktes. Brest als Grenzstadt wurde noch in der Nacht mit einem massiven Artillerieschlag zu rund 90% zerstört. Die Festung kannte man freilich auch und deckte sie mit Geschossen ein. Doch die Einheiten in der Festung dachten gar nicht ans aufgeben. Sie leisteten erbitterten Widerstand, so dass man scheinbar beschloss, die Festung Festung sein zu lassen und den Gegner langsam zu zermürben. Anderthalb Monate später erst – Minsk war längst eingenommen, die Wehrmacht stand bereits vor Smolensk im heutigen Russland – konnten die letzten versprengten Gruppen gefangengenommen werden. Allerdings überlebten nur sehr wenige und die Festung war zu grossen Teilen zerstört.
Das ist der Stoff aus dem Heldensagen gestrickt werden. Nach der Befreiung 1944 wurde Brest flugs zur Heldenstadt erklärt. Die zerstörte Festung rührte man soweit nicht an. Aber man errichtete eine gigantische Gedenkstätte, die jeder in der Sowjetunion kannte. Das beginnt bereits am Eingang: Ein gigantischer Betonblock ruht auf den alten Aussenmauern, unterbrochen durch einen gigantischen, sternförmigen Tunnel. Dahinter beginnt der äussere Ring, mit Panzern und zerschossenen Mauern. Hinter einer kleinen Brücke gelangt man auf die innere Insel. Dort fallen zuerst ein grosser glänzender Obelisk, ein gigantischer, in Zement gehauener Kopf sowie – wie seltsam! – eine alte Kirche auf.
Vor der Riesenskulptur brennt eine ewige Flamme, die stets von vier Wachsoldaten – zwei Männer, zwei Frauen (für die Emanzen!) – bewacht wird. Die Wachablösung sowie die Skulptur sind einfach nur grotesk. Ein anderes Attribut fällt mir dazu nicht ein. Neben der Ewigen Flamme sieht man die Grundrisse der völlig zerstörten Kaserne.
Die innere Insel ist rundum von zweigeschossigen, aus Ziegeln erbauten Häusern umschlossen, von denen mal mehr, mal weniger viel übrig ist. Auffallend ist nur das einzige weisse Gebäude links von der Skulptur. In diesem kleinen Palais wurde der nicht gerade sehr langlebige Frieden von Brest-Litowsk im Jahre 1918 geschlossen. Deutschland trotzte so dem revolutionierenden Riesenreich grosse Gebiete ab, welche es jedoch schnell wieder abtreten musste (siehe Geschichte der Belarus). Das Palais darf man leider nicht betreten.
Läuft man nun durch den kleinen Tunnel im Palais, steht man vor einer kleinen Brücke, die zu einer weiteren Insel führt. Dreht man sich auf der Brücke um, steht man vor der Postkartenansicht schlechthin – das zerschossene Festungstor, zu Sowjetzeiten ein weithin bekanntes Bild. Das rote Tor ist von Kugeln durchsiebt, obwohl hier noch relativ viel übriggeblieben ist. Die Bereiche weiter nördlich sehen wesentlich schlimmer aus, denn da fehlen gar etliche Mauern. Die Steine, in denen keine Einschusslöcher zu finden sind, muss man wirklich suchen.
Nur wenige dutzend Meter hinter der Brücke (Achtung – alle anderen Wege führen ins Grenzgebiet, und das ist hier striktes Sperrgebiet!!!) steht eine grosse, moderne Halle. Hier kann man kurz der grausamen Geschichte entfliehen. Die Halle enthält das Archäologische Museum und ist rund um eine grosse Ausgrabungsstätte gebaut worden. Natürlich sind alle Erklärungen nur auf Russisch, aber die alte Siedlungsstätte sowie die Ausstellung rundherum sind trotzdem durchaus sehenswert. Der Eintritt kostet 2100 BYR (0.80 Euro).
Alles was vom alten Brest vor dem Bau der Festung übrig geblieben ist, steht einsam und verlassen mit güldener Kuppel in der Mitte der Festung. – die Nikolai-Kirche. Sie scheint erst jüngst restauriert worden zu sein – im Inneren macht sie auch eher einen provisorischen Eindruck. Ein Pope verkauft in der Kirche allerlei Heiliges. Ein Blick in die Kirche offenbart eine Überraschung: Es sieht eher wie eine Moschee bzw. arg byzantinisch aus! Das mag an der Gewölbeform liegen oder aber auch am tiefhängenden Kronleuchter – auf jeden Fall erwartet man so etwas nicht in dieser Festung der Helden.
Die Festung beherbergt auch ein durchaus interessantes Museum – jenes befindet sich hinter der Brücke zur inneren Insel rechterhand. Es zeigt zahlreiche Exponate zum Bau der Festung, der Nutzung sowie dem Leben der Verteidiger während des Zweiten Weltkrieges. Die Ausstellung ist ziemlich gross, gut sortiert und sehr lehrreich, wenn freilich auch propagandabelastet. Leider ist auch hier alles auf Russisch. Eintritt kostet 1500 BYR (Ausländer 3000 BYR, also 1 Euro). Unbedingt ansehen!
In der Festung mit den beiden Museen verbringt man schnell drei, vier Stunden. Ich weiss nicht, was interessanter ist – die Reste der imposanten Festung selbst, oder dass was die Sowjets später daraus gemacht haben. Man beachte auch die im Gleichschritt marschierenden Schulklassen!!!
Umgebung
Ca. 60, 70 km weiter nördlich von Brest beginnt der Nationalpark Беловежская пуща (Beloweshskaya Pushtsha) auf halbem Wege zwischen Brest und Hrodna. Der Park ist länderübergreifend – auf der polnischen Seite ist die Großstadt Białystok nicht fern. Hier und in Polen ist der Park als Białowieża-Nationalpark bekannt und beheimatet die letzten freilebenden Wisente Europas. Das Gebiet gilt gleichsam als letzter urwaldähnlicher Bestand Europas. Man braucht jedoch mit Sicherheit sehr viel Zeit und/oder eigenen Transport für die Gegend wenn man sie auf der grösseren, weissrussischen Seite besuchen möchte.
Übernachtung
Die Übernachtungsmöglichkeiten sind relativ begrenzt. Am billigsten sind wohl Betten in dem Eisenbahnwaggon direkt neben der Fussgängerbrücke am Bahnhof. Dann muss man aber die Bahnhofstoiletten benutzen.
Parallel zur Bahnlinie verläuft die vul. Ordzhonikidse mit zwei Hotels und ein paar Restaurants. Das Hotel Maladsyoshnaya verlangt von Ausländern ca. 70 Dollar pro Doppelzimmer. Das grosse Hotel Bug an der Ecke Maladsyoshnaya – Leninstr. ist drei Minuten zu Fuss vom Bahnhof entfernt und verlangt knapp 17 Euro pro Person im Doppelzimmer. Achtung – alle anderen Hotels sind noch teurer!!!
Das Hotel Bug ist altmodisch, mit Aufpassern in jeder Etage. Die Angestellten sind mehr oder weniger nett, Duschen befinden sich nur in der 1. und 2. Etage, das Restaurant im Erdgeschoss ist für die Verhältnisse in Belarus durchschnittlich. Adresse des Hotels: vul. Lenina 2, Tel.: 016-236 417.
Ca. 200 m entfernt entlang der Ordzhonikidse-Str. befindet sich – gegenüber der Bahnlinie – das Fischrestaurant Bar Santa. Das einzige Restaurant (welches wir gesehen haben) mit englischen und deutschen Speisekarten! Für weissrussische Verhältnisse war das Essen ziemlich gut, es gibt viele ausgefallene Fischgerichte. Hauptspeisen kosten im Schnitt 3 Euro, es gibt Fassbier (selten!), die Bedienung ist gut.
Von verschiedenen Quellen hörten wir von einem sagenhaft guten Indischen Restaurant – nun, das ist geschlossen! Stattdessen gibt es dort nun ein teures China-Restaurant. Schade.
WWW
- www.brestonline.com: Online-Portal von Brest auf Englisch und Weissrussisch mit Nachrichten, Stadtplan, Photos und mehr.
- www.brest.by: Kommerzielles Portal der örtlichen Telefongesellschaft mit zahlreichen Infos und Photos. Nur Russisch.
- www.city-walk.brest-belarus.org/: Ein photographischer Stadtbummel – stellt die einzelnen interessanten Strassen und Plätz von Brest vor. Englisch.